Frage an Harald Lundt von Ben T. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Lundt,
das Stadtbild Ihres Wahlkreises besonders im Schöneberger Dreieck ist von vielen teilweise traditionellen Kneipen geprägt. Da die Gesetzgebung im Bereich des Gaststättenrechts nach der Föderalismus in Länderkompetenz übergeht und sie als Volksvertreter im Abgeordnetenhaus Verantwortung übernehmen wollen, interessiert mich, welche Position Sie zum aktuell hauptsächlich auf bundespolitischer Ebene diskutierten Rauchverbot eingenommen haben.
Wenn Sie ein Rauchverbot grundsätzlich sinnvoll finden...
1) Auf welche Lokalitäten (Bars, Restaurants, Kneipen, Clubs) soll sich ein Rauchverbot erstrecken?
2) Würden Sie ein Rauchverbot aus gesundheitspolitischen oder eher aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen begrüßen? Oder beides?
3) Welchen Zeitrahmen peilen Sie bis zum Inkrafttreten einer entsprechenden gesetzlichen Maßnahme an?
Und schließlich: Ist die freiwillige Vereinbarung des Bundesgesundheitsministeriums mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband, bis zum März 2008 (!) 90% der Lokale mit 50% Nichtraucherplätzen einzurichten angesichts umfassender Rauchverbote in anderen europäischen Ländern wie Italien und Irland nicht ein Witz und Beispiel für eine Lobbyrepublik?
Über eine Beantwortung der Fragen würde ich mich sehr freuen
Mit freundlichen Grüßen
Ben Titze
Sehr geehrter Herr Titze,
ich bin in dieser Frage nicht völlig unbefangen, denn ich beschalle desöfteren die einzige regelmäßige rauchfreie Wochenend-Tanzfläche Berlins, sie befindet sich auch im Wahlkreis 2, in der Akazienstraße.
Eine parteiweit abgestimmte Haltung zur Raucher-/Nichtraucher-Problematik gibt es in der Humanwirtschaftspartei noch nicht. Daher teile ich Ihnen an dieser Stelle nur meine persönliche Meinung mit.
Grundsätzlich finde ich die neuen Aussichten für Nichtraucher prima! Sie kamen nicht ganz redlich zustande: Jahrzehntelang interessierte sich die Politik wenig bis gar nicht für das Thema. In einer Zeit, da sie die Kassen verknappt, sieht sie bei der Passivrauchvermeidung ein Potential für geringere Gesundheitskosten.
Menschen rauchen nicht unbegründet, sie verarbeiten so entweder ihren Frust über ihr Ungehörtsein oder belohnen sich selbst. Andererseits ist Rauch giftig, die momentane Situation zwingt Raucher und Nichtraucher zusammen. Das muß geändert werden! Ein absolutes Rauchverbot bewegt nur wenige vom Glimmstengel weg. Zudem verhindert es nicht das Rauchen in nicht-öffentlichen Rauchervereinen.
Ich bin daher für eine Mischung aus Quotierungs- und Abteilungslösung auf legislativer Ebene.
Quotierung: mindestens 90% aller öffentlichen Freizeitangebote müssen rauchfrei sein, bis zu 10% aller öffentlichen Freizeitangebote können eine kostenpflichtige Lizenz für ihre Lokalität beantragen, die sie berechtigt, ihre Gäste in ihren Räumen während des Vergnügungsbetriebes rauchen zu lassen. Ein einheitliches Logo soll solche Angebote von Außen kennzeichnen. Lizenzen sind nur ortsgebunden übertragbar (geht wegen Nikotinrückständen nicht anders) und werden bei voller Ausschöpfung der Quote nur durch Aufgabe frei. Die Gebühr soll ab ca. 100€ pro Jahr abgestuft nach Lokalgröße betragen, also große Räume kosten mehr. Diese Ausgabe soll steuerlich nicht geltend gemacht werden können. Gemanagt wird die Quotierung ähnlich der Lotto-Zulassung für Zeitungsläden. Sie soll für jede Kategorie einzeln gelten (Bars, Diskotheken, Restaurants, Kneipen), Mischformen müssen sich zukünftig genauer definieren.
Das Quotierungsverfahren hält das Wirtschaftsamt fair für alle Beteiligten ab: Öffentliche Ausschreibung, ggf. Losverfahren, Mauscheleien sind zu vermeiden. Kleinflächige Lokalitäten können bevorzugt werden, denn große haben noch die Möglichkeit, eine Raucher-Abteilung zu eröffnen. (siehe folgender Abschnitt)
Abteilung: Ab einer bestimmten Größe dürfen als rauchfrei geltende Lokalitäten einen separaten Raum als Raucherzimmer anbieten. Es muß ausreichend belüftet sein, Rauch darf nicht in die übrigen Räume gelangen. Das zuständige Wirtschaftsamt soll solche Räume abnehmen. Minderjährige sollten zu Raucherlokalitäten generell keinen Zutritt haben. Eine Regelung für Konzerthallen und Freiluftangebote orientiert sich am besten daran, ob Jugendliche oder Kinder Zutritt zu ihnen haben.
Ok, das ist komplexer als ein rigoroses allgemeines Verbot. Wir erreichen dadurch:
1. NichtraucherInnen haben ein stark erweitertes Kulturangebot ohne lästigen Rauch
2. Toleranz - Raucher werden nicht komplett ausgegrenzt
3. Vermeidung illegaler oder unerwünschter Angebote
4. Die Gemeinden bekommen eine kleine zusätzliche Einnahme
5. Bauaufträge (vorübergehender Beschäftigungs- und Investitionseffekt)
Von einer freiwilligen Vereinbarung halte ich nichts, die Gaststättenverordnung ist entsprechend anzupassen.
Die Frist sollte bei der vorgeschlagenen komplexen Regelung nach einer Verabschiedung durch das Abgeordnetenhaus 12-18 Monate betragen. Bei einem rigorosen Verbot genügen drei Monate, die Finanzämter könnten in diesem Fall aussteigenden Wirten ggf. die Steuerschuld des letzten Quartals erlassen, damit diese nicht für die allgemeine Entwicklung bestraft werden.
Ich selbst komme als Nichtraucher mit einem absoluten Verbot klar, sehe aber die genannten moralischen Probleme sowie verschenktes Potential.
Mit freundlichen Grüßen
Harald Lundt