Frage an Harald Ebner von Anna S. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Ebner,
Eines der Probleme, die für das Artensterben verantwortlich sind, ist das Vorherrschen von Monokulturen – und der damit oft verbundene Einsatz von Düngern und Pestiziden.
Klar ist aber in meinen Augen auch, dass die Ernährungssicherheit erhalten bleiben muss – und zwar ohne weitere bisher ungenutzte Flächen zu roden, zu entwässern oder ähnliches.
Daher bin ich der Überzeugung, dass kreative Ansätze nötig sind, die das Interesse des Menschen an Nahrungsmitteln und das Interesse des Menschen an einer intakten Natur in Einklang bringen.
Gestern lief auf Terra X ein Beitrag zu den Maya. Als es darum ging, wie es ihnen gelang, ihre große Bevölkerung trotz widriger Umstände zu ernähren, musste ich aufhorchen: Sie bauten Mais an, aber nicht als Monokultur. Sie pflanzten Bohnen, die am Mais emporwuchsen und ihn gleichzeitig mit Nährstoffen versorgten. Am Boden wuchsen Kürbisse, die mit ihren großen Blättern den Boden vor Austrocknung schützten.
Ich halte solche und ähnliche Konzepte für einen vielversprechenden Ansatz, den heutigen Herausforderungen gerecht zu werden!
Was ist Ihr Standpunkt dazu? Welche Maßnahmen halten Sie für am sinnvollsten, um dem Artensterben zu begegnen? Wie sieht Ihre Vision einer Landwirtschaft von morgen aus?
Vielen Dank im Voraus!
Mit freundlichen Grüßen,
A. S.
Sehr geehrte Frau Schmitt,
vielen Dank für Ihre Frage.
Ich teile Ihre Einschätzung, dass die intensive Landwirtschaft auf Basis von Monokulturen, Mineraldünger und Pestiziden erheblichen Anteil am Artensterben, v.a. am Insektensterben, hat. Das bestätigen zahlreiche Studien und Stellungnahmen aus der Wissenschaft.
Auch ich sehe vielfältige Ansätze, Landwirtschaft so zu betreiben, dass unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben und gleichzeitig ausreichend hohe Erträge zu liefern. Anbausysteme auf Basis des Konzepts der Agrarökologie, haben nicht nur historisch bereits ihre Eignung unter Beweis gestellt, sondern tun das auch heute, wie erfolgreiche Projekte etwa in Afrika beweisen. Mischkulturen haben viele Vorteile und können sogar produktiver sein als Monokulturen, wie folgende Beispiele zeigen: https://www.nzz.ch/wissenschaft/ackerbau-nachhaltig-und-ressourcenschonend-dank-mischkulturen-ld.1559443 und https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/research-in-context/details/news/hoehere-ertraege-bei-gleichzeitigem-anbau-verschiedener-kulturen/ .
Sie haben richtig erkannt, dass biologische Vielfalt ein wesentlicher Schlüsselfaktor ist, um robuste Agrarökosysteme zu schaffen und eine wesentliche Pestizidreduktion zu erreichen, weil so Massenvermehrung von Schadorganismen vermieden werden können. Ich bin optimistisch, dass in Zukunft intelligente Feldroboter dabei helfen können, Mischkulturen zu bewirtschaften und gezielt ohne Gift Beikräuter zu regulieren. Agroforstsysteme (Baumpflanzungen und Hecken zwischen Feldern) bieten Nützlingen Unterschlupf, und verringern Winderosion. Bodenbedeckung durch Zwischenfrüchte vermindert Erosion und mehr Vielfalt an Fruchtfolgen und Feldfrüchten beugt Schädlingsproblemen vor, zudem machen sie Betriebe weniger anfällig für Wetterextreme und Marktkrisen. Biologischer Pflanzenschutz bekämpft gezielt Schaderreger ohne die bekannten fatalen Folgen für Bestäuber oder andere Nichtzielorganismen oder das Bodenleben, was für den Humusaufbau notwendig ist. Mehrjährige Blühstreifen und mehr Leguminosen sorgen für Blütennahrung für Bestäuber.
Grüne Agrarpolitik hat das Ziel, durch richtige Förderinstrumente und Rahmenbedingungen die Landwirte auch ökonomisch in die Lage zu versetzen, die Landwirtschaft ökologischer neu auszurichten. Denn naturverträgliche Landwirtschaft muss auch auskömmlich sein! Dafür brauchen wir ein ganzes Bündel an Maßnahmen – von der Umschichtung der Agrarfördermittel zugunsten besonders natur- und tierfreundlicher Bewirtschaftung, bessere Erzeugerpreise, Förderinstrumente zur Ausweitung des Ökolandbaus über bessere Beratung der Betriebe bis hin zu Forschungsförderung für den nicht chemischen Pflanzenschutz und die Entwicklung resistenter neuer Sorten.
Die Grüne Vision der Landwirtschaft der Zukunft ist gut in unserem Antrag zur letzten Grünen Woche skizziert, den Sie unter folgendem Link finden:
https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/164/1916493.pdf
Leider wurden in der letzten Woche gerade dort, wo einer der größten Hebel zur zu einer Ökologisierung der gesamten Landwirtschaft ist, nämlich in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU, die Weichen in die falsche Richtung gestellt. Hier wurde ein „Weiter so“ mit Geld für Fläche zementiert, statt endlich einen echten Systemwechsel hin zu öffentlichem Geld für öffentliche Gemeinwohlleistungen einzuleiten. Damit werden wir leider sieben weitere Jahre im Kampf gegen das Insektensterben verlieren! Deshalb ist jetzt alles zu tun, was auf nationaler Ebene getan werden kann, um die Umsetzung der GAP so ökologisch wie möglich zu gestalten!
Mit freundlichen Grüßen
Harald Ebner