Frage an Hans-Werner Kammer von Andre G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Hallo Herr Kammer
mich würde interessieren, was sie persönlich bewogen hat den Tornadoeinsatz zu befürworten, oder handelten Sie als braver Parteisoldat ?
Sehr geehrter Herr Gerbsch,
weil mehr als 60 Jahre Frieden in Europa keine Selbstverständlichkeit sind, kann ich Ihnen nicht in allen Punkten zustimmen und möchte gerne meinen Standpunkt aufzeigen und einige Detailinformationen liefern.
Einen Tag nach den furchtbaren Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York, also bereits am 12. September 2001, stellte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in der Resolution 1368 fest, dass die Anschläge als eine Bedrohung für den internationalen Frieden zu werten sind. Am selben Tag beschloss der NATO-Rat, also auch die Bundesrepublik Deutschland, dass gemäß Artikel 5 des Nordatlantikvertrages die Angriffe auf das World Trade Center als Angriffe auf alle Bündnispartner gerichtet zu werten seien und dass im Rahmen der kollektiven Selbstverteidigung die Bündnispartner zu Maßnahmen gegen den Terrorismus beitragen werden.
Das Regime der Taliban in Afghanistan hatte sich vor die Führer und Ausbilder von weltweit agierenden Terroristengruppen, insbesondere auch von Al Qaida, gestellt. Durch den Schutz dieser Gruppierungen hatte sich das Regime zum Mittäter der weltweiten Terrorangriffe gemacht.
Die Operation Enduring Freedom basiert auf dem von den Vereinten Nationen garantierten Recht jedes souveränen Staates zur Selbstverteidigung. Es geht bei dieser Mission darum, den Terrorismus dort zu bekämpfen, wo er entsteht und so die Sicherheit, auch in Deutschland, zu verbessern. Die ISAF Mission hilft dem vom Terrorismus befreiten Afghanistan als freier Staat in der Weltgemeinschaft eine gesellschaftliche und ökonomisch tragfähige Grundlage zu schaffen.
Darum hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in der Resolution 1386 im Dezember 2001 die Einrichtung einer internationalen Sicherheitsbeistandstruppe beschlossen, um die afghanische Interimsbehörde bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit in Kabul und seiner Umgebung zu unterstützen.
Auf der Grundlage dieser Resolution und in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz hat der Bundestag erstmals am 22. Dezember 2001 der Entsendung deutscher Soldaten für die Schutztruppe ISAF zugestimmt. Seit diesem Zeitpunkt haben sie vor Ort mit den vorhandenen Mitteln vieles geleistet, was den Menschen zu Gute kommt.
Leider hat sich in der Vergangenheit die Sicherheitslage in Afghanistan weiter verschlechtert. Es besteht auch für unsere eingesetzten Soldaten und die zivilen Aufbauhelfer tagtäglich eine gestiegene Bedrohung durch gezielte Angriffe und Selbstmordanschläge.
Insbesondere im Süden des Landes, in dem es bereits in der Vergangenheit verstärkt zu Übergriffen auf die Schutztruppe ISAF gekommen ist, versuchen die Taliban über die unzugänglichen Bergregionen Pakistans, nach Afghanistan einzudringen. Dies führt zu einem starken Anstieg der Gefährdung aller im Land engagierten Aufbauhelfer, also auch unserer im Norden des Landes eingesetzten Soldaten und zivilen Helfer.
Der Einsatz der modernen Aufklärungsflugzeuge vom Typ Tornado ist notwendig, um eine bestehende Fähigkeitslücke zu schließen. Die Tornados werden in erster Linie Aufklärung für die ISAF Kräfte fliegen. Aufklärung dient dem Schutz der eingesetzten Soldaten. Bisher hatte die Bundeswehr zur hierfür nur Patrouillen, einige taktische Drohnen und elektronische Maßnahmen zur Verfügung. Zukünftig werden zur Präzisierung des Lagebildes noch die Tornados beitragen. Für uns hat es höchste Priorität, die Risiken unserer Kräfte im Einsatzland weitestgehend zu minimieren. Wird für diese Kräfte potentielle Gefahr in einem Raum vermutet, so ist es selbstverständlich, dass die Tornados in diesem Raum aufklären. Die Verlegung bedeutet somit nicht den Einstieg in Kampfhandlungen.
Im Vordergrund des Einsatzes, den wir gemeinsam mit unseren amerikanischen Freunden durchführen, steht die Stabilisierung und Absicherung des zivilen Wiederaufbaus. Deshalb muss eine erneute Verschärfung der Sicherheitslage verhindert werden. Wir möchten verhindern, dass die Taliban die Uhr zurückdrehen. Der Staat verfügt nun über eine Verfassung, sowie nach den demokratischen Wahlen über ein Parlament und einen Präsidenten. Der in Afghanistan eingeschlagene Weg der Selbstbestimmung und Gleichberechtigung muss weiter fortgeführt werden. Das sind wir auch den Menschen in Afghanistan schuldig.
Als Politiker ist mir bewusst, dass der Einsatz militärischer Gewalt ausschließlich Ultima Ratio ist und es immer einen umfassen Ansatz von politischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Mitteln zur Lösung der Herausforderungen zu geben hat.
Wir möchten mit unserem Einsatz dauerhaft stabile Verhältnisse und für die Bevölkerung in Afghanistan ein Klima der Freiheit und Selbstbestimmung erreichen. Die, auch von der afghanischen Bevölkerung, in uns gesetzten Erwartungen dürfen wir nicht enttäuschen. Der afghanische Außenminister, Herr Dr. Spanta, hat bei seinem Besuch in Berlin ausdrücklich unterstrichen, dass er den Einsatz des Militärs als unerlässlichen Beitrag für die Sicherheit und Freiheit Afghanistans hält.
Darum bin ich der Überzeugung, dass der geplante Einsatz der Tornados ein weiterer wichtiger Baustein zur Selbstbestimmung und Freiheit Afghanistans ist.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Werner Kammer