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Hans-Werner Kammer
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Frage von Peter T. •

Frage an Hans-Werner Kammer von Peter T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kammer,

können sie mir bitte erläutern, warum durch eine Ratifizierung der Anti-Korruptionskonvention der UN (UNCAC) durch den Deutschen Bundestag mit dieser Verschärfung die Parlamentarier (nach Ansicht von Union und FDP) in der freien Ausübung ihres Mandats gehindert würden???

Finden sie es nicht peinlich, dass die deutsche Wirtschaft nach nunmehr neun Jahren das Parlament an die notwendige Ratifizierung erinnern muss und in welcher Gesellschaft der Nichtunterzeichner wir uns befinden???

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Torkler,

dass die Ratifizierung der von Ihnen angesprochenen Konvention noch aussteht, ist der Komplexität der Fragestellung geschuldet. Wäre die Regelung leicht in deutsches Recht übertragbar, hätte die rot-grüne Bundesregierung, die der Konvention 2003 beigetreten ist, selbst während ihrer Amtszeit ratifiziert. Auch Ihre sozialdemokratischen Parteifreunde sahen jedoch offensichtlich Schwierigkeiten, weshalb sie erst auf der Oppositionsbank Aktivitäten für eine Ratifizierung entfalteten.

Kern des Problems ist, dass die Konvention in Artikel 2 Mandatsträger gleichsetzt mit Verwaltungsangestellten und Beamten. Dies entspricht jedoch nicht der deutschen Rechtstradition, wie der Bundesgerichtshof 2006 festgestellt hat: "Amtsausübung ist etwas anderes als Mandatsausübung. Zwischen dem typischen Verwaltungshandeln in behördlichen oder behördenähnlichen Strukturen und dem politischen Handeln in Volksvertretungen aufgrund eines freien Mandats gibt es strukturelle Unterschiede, die eine differenzierte Behandlung beider Handlungsformen öffentlicher Gewalt rechtfertigen. Dies wird auch im Hinblick auf die handelnden Personen deutlich: Bei Entscheidungen
der öffentlichen Verwaltung ist der Entscheidungsträger grundsätzlich substituierbar; seine Entscheidungsbefugnis kann regelmäßig in der Verwaltungshierarchie delegiert oder von höherrangiger Stelle evoziert werden. Das Amt ist nicht personengebunden, der Amtsträger dafür aber zumeist weisungsgebunden. Im Gegensatz dazu trifft der Abgeordnete aufgrund seines freien Mandats im Plenum seiner Volksvertretung eine in diesem Sinne „unvertretbare“ Entscheidung. Sein Amt ist personengebunden, er kann seine Stimmabgabe nicht auf einen Vertreter übertragen; kein anderer darf die Entscheidungsbefugnis des Abgeordneten an sich ziehen. Gerade wegen der Unvertretbarkeit der Entscheidung bei der Wahl oder Abstimmung in einer Volksvertretung spielen dabei auch legitime Partikularinteressen, für deren Wahrnehmung der Mandatsträger in die Volksvertretung gewählt wurde, eine wesentliche Rolle." (BGH 09.05.2006 Rn. 28 – 5 StR 453/05)

Die bislang vorgelegten Gesetzentwürfe schaffen es nicht, dieses Problem zu beheben, wie der Deutsche Anwaltverein in seinen neutralen Stellungnahmen von 2011 und 2012 deutlich gemacht hat. Aus diesem Grund kennt Deutschland bislang keinen Straftatbestand bei Abgeordnetenbestechung, der über die bereits seit 1993 geltenden Bestimmungen zu Stimmenkauf und Stimmenverkauf (§ 108 StGB) hinausgeht.

Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages wird sich in einer Anhörung am 17. Oktober 2012 mit der Problematik befassen. Womöglich zeichnet sich dann eine Lösung dieser hochkomplexen Fragestellung ab. Die letztendliche Regelung muss absolut einwandfrei sein, denn wenn nicht mehr unterschieden werden kann, wo im politischen Leben die Grenze zwischen dem Legalen und dem Illegalen zu ziehen ist, steigt das Risiko, dass das Strafrecht zum Spielball für politische Machtintrigen missbraucht wird. In unserer Mediengesellschaft reicht dazu bereits die bloße Bezichtigung einer vermeintlichen Straftat. Bis sich – oftmals über langwierige Ermittlungen – herausstellt, dass die Beschuldigung unhaltbar war, nützt dies dem Betroffenen nichts mehr. Missbrauchsmöglichkeiten strafrechtlicher Instrumentarien für politische Zwecke darf es deshalb nicht geben.

Bezüglich Ihrer abschließenden Bemerkung über die schlechte Gesellschaft Deutschlands bei den Staaten, die das Abkommen nicht ratifiziert haben, muss ich darauf hinweisen, dass auch Neuseeland das Abkommen nicht ratifiziert hat, sehr wohl aber laut der anerkannten Anti-Korruptions-Organisation Transparency International das weltweit am wenigsten korrupte Land der Welt ist. Venezuela hingegen, gehört zu den korruptesten Ländern der Welt, hat jedoch das Abkommen selbstverständlich ratifiziert. Wir sollten die Bedeutung dieses Abkommens also nicht überbewerten.

Auch wenn Sie auf einen Abschiedsgruß verzichtet haben, möchte ich nicht versäumen, mitteleuropäischen Höflichkeitskonventionen zu entsprechen und Sie zum Abschied freundlich grüßen

Hans-Werner Kammer