Frage an Hans-Werner Kammer von Jens S. bezüglich Jugend
Sehr geehrter Herr Kammer:
Ich nehme Stellung zu dem Thema "Beschneidung an Kindern und Babys aus religiösen Gründen".
Werden Sie für die Unversehrtheit des Kindes abstimmen, sofern es dazukommen würde, oder ist Ihnen die bestimmende Religion der Eltern wichtiger?
1. ) Die körperliche Unversehrtheit eines Kindes regelt das Grundgesetz Artikel 2, und steht somit weit über der Religionsfreiheit!
2.) Die Religionsfreiheit des Kindes ist nicht gegeben, wenn die Eltern diese selbst "fremdbestimmen" in den 8 Tagen nach der Geburt. Ein 8 tägiges Baby kann noch keine Religionszugehörigkeit erkennen?!
3.) Eine Beschneidung ist nicht rückgängig machbar. Haare schneiden und Piercing -> Haare und Haut wachsen aber in dem Fall nach, bei der Beschneidung wächst die Haut nicht nach.
Es ist somit offensichtlich, dass sich um eine Körperverletzung handelt, die ohne Einwilligung des Kindes stattfindet.
4.) Das Landgericht Köln hat festgestellt, dass es sich um Körperverletzung handelt! Eigentlich werden doch die Legislative und die Judikative in Deutschland getrennt?
Wie ist es dann möglich, dass ein kürzlich gefallenes Urteil einfach "aufgehoben" wird?
Wenn die Politik einfach Urteile aufhebt, kurz nach Richterspruch, wird die Judikative entmündigt.
(5.) Zu dem Argument, dass wenn man die Beschneidung verbieten würde, es im Hinterzimmer trotzdem gemacht werden würde, lasse ich nicht gelten.
Grund: Ja, es würde vielleicht trotzdem Beschneidungen geben, aber der Betroffene würde nicht damit straffrei davon kommen.
Viele Jugendliche rauchen Cannabis, und werden laut Gesetz bestraft, da es ja wie gesagt verboten ist. Worauf ich hinaus will: Egal, ob man eine Sache verbietet oder nicht. Es gibt immer Personen oder Gruppen, die sich nicht dran halten. Das heißt aber nicht, dass deshalb ein Gesetz gekippt werden muss, oder? Somit wäre ihr Argument kein Argument mehr.
Daher meine Frage an Sie:
Wie ist also eine Beschneidung rechtzufertigen, ohne medizinische Gründe dafür?
Und ist ihnen der Schmerz bekannt?
Mit freundlichen Grüßen
Jens Schoon
Sehr geehrter Herr Schoon,
gerne gehe ich auf Ihre Positionen zum Thema Beschneidung ein:
1) In der Tat hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit Verfassungsrang (Art.2 GG), das gilt aber ebenfalls für die Religionsfreiheit (Art. 4 GG). Wir haben es bei der Frage der Beschneidung aus religiösen Gründen also mit einem verfassungsimmanenten Konflikt zu tun, der einer Klarstellung durch den Gesetzgeber bedarf. Bislang fehlte diese Klarstellung.
2) Eine Beschneidung schränkt die Religionsfreiheit eines Kindes nicht ein. Sie ist zwar für viele Juden und Muslime ein integraler Bestandteil ihres Glaubens, hindert sie jedoch nicht daran, später zu einem anderen Glauben zu konvertieren bzw. keinen Glauben zu praktizieren. Auch ein beschnittenes Kind kann, wenn es das entsprechende Alter erreicht hat, seine Religionsfreiheit uneingeschränkt ausüben.
3 + 4) Was eine Körperverletzung ist, definiert das Strafgesetzbuch. Es ist die Aufgabe der Legislative, die Gesetze im Rahmen der Verfassung auszugestalten. Der Deutsche Bundestag hat das von Ihnen angesprochene Urteil nicht aufgehoben. Dies wäre in der Tat gegen unsere Verfassung. Jedoch haben wir das Urteil zum Anlass genommen, eine rechtliche Klarstellung dieser Frage anzustreben. Fraktionsübergreifend haben wir die Bundesregierung aufgefordert, bis zum Herbst 2012 einen Gesetzentwurf vorzulegen, der unter Berücksichtigung der Grundrechte von Eltern und Kindern sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist.
5) Bei dem Argument, dass ein Verbot von Beschneidungen dazu führen würde, dass diese in "Hinterzimmern" erfolgen, geht es nicht um die Frage der Straffreiheit. Hier geht es um das Kindeswohl. Eine Beschneidung durch medizinisch nicht qualifiziertes Personal ohne Betäubung unter womöglich unhygienischen Umständen wollen wir nicht. Wenn Beschneidungen stattfinden, dann sollten sie legal, fachgerecht und mit Betäubung erfolgen.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Werner Kammer