Frage an Hans-Josef Fell von Matthias W. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Fell,
Mit der Umsetzung der RICHTLINIE 2009/71/EURATOM im Rahmen des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes muss der Genehmigungsinhaber von kerntechnsichen Anlagen nach dem geltenden nationalen Rahmen verpflichtet werden, dauerhaft angemessene finanzielle
und personelle Mittel zur Erfüllung der in Artikel 6 Absätzen 1 bis 4 der RICHTLINIE 2009/71 EURATOM festgelegten Pflichten in Bezug auf die nukleare Sicherheit einer kerntechnischen Anlage vorsehen und bereithalten.
Die Mitgliedstaaten stellen hierbei sicher, dass die Verantwortung für die nukleare Sicherheit einer kerntechnischen Anlage in erster Linie dem Genehmigungsinhaber obliegt. Diese Verantwortung kann nach Artikel 6 Absatz 1 der der RICHTLINIE 2009/71/EURATOM nicht deligiert werden.
Dies bedeutet, dass diese Verantwortung auch nicht mehr (wie bisher durch Sozialisierung der Risiken) auf die Allgemeinheit übertragen werden kann, der Genehmigungsinhaber daher ab Umsetzung für alles Tun und Unterlassen, insbesondere die Folgen einens Unfalls in vollem Umfang haftet und hierzu dauerhaft angemessene finanzielle Mittel bereit halten muss.
Die von Prognos in einer älteren Studie bezifferten Kosten bei einem GAU liegen zwischen 2.500 und 6.000 Milliarden Euro. Kernkraftwerke sind jedoch aktuell, wenn überhaupt, nur bis zur einer Haftungssumme in Höhe von ca. 2,5 Milliarden Euro versichert. Das entspricht nur maximal einem Tausenstel der bei einem GAU zu erwartenden Schadensumme.
Sind daher nicht alle bestehenden Genehmigungen für Betreiber kerntechnsicher Anlagen in Deutschland nach der Umsetzung der RICHTLINIE 2009/71/EURATOM in nationales Recht unverzüglich zu widerufen, ausser die Betreiber dieser Anlagen weisen z.B. kollektiv ein angemessenes, dauerhaft verfügbares Haftungskapital in der Höhe von z.B. mindestens 2.500 Milliarden Euro nach?
Mit freundlichen Grüßen
Matthias M. Werner
Sehr geehrter Herr Werner,
es ist richtig, dass Art. 6 der Richtlinie vorschreibt, "dauerhaft angemessene" finanzielle und personelle Mittel bereitzustellen und dass die Verantwortung für die nukleare Sicherheit den Betreiber obliegt und nicht delegiert werden kann.
Es gibt gute Gründe dafür anzunehmen, dass bereits das geltende Atomgesetz diese Anforderungen vorsieht. In der 12. Novelle wurde dies durch den neuen 7c erneut und genauso eingefügt, "dauerhafte angemessene finanzielle und personelle Mittel" und keine Delegation. Die Begründung meint, dass dies nur geltendes Recht klarstellen würde. Aus meiner Sicht ist das daher kein Angriffspunkt.
Im Übrigen bezieht sich die Frage der Verantwortung und der Finanzen auf den Betrieb und die Verhütung von Unfällen und daher nicht zwingend auf die Haftung.
Nach geltendem Recht haften die Betreiber unbegrenzt. Richtig ist aber, dass die Deckungsvorsorge auf 2,5 Milliarden begrenzt ist.
Eine höhere Deckungsvorsorge schien unter rot-grün verfassungsrechtlich nicht umsetzbar, da die Versicherungswirtschaft signalisiert hatte, dass sie Atomkraftwerke nicht gegen einen denkbaren Supergau versichern möchte. Ohne die Möglichkeit eine Versicherung abzuschließen, könne man den Atomkraftwerksbetreibern auch keine umfassende Versicherungspflicht auferlegen, war damals die Einschätzung der Juristen. Auch aus den Folgen der Finanzkrise, bei der der Staat einspringen musste, haben die Grünen inzwischen den Schluss gezogen, dass eine Versicherungspflicht beim Staat für AKW-Betreiber angebracht wäre. Diese wird aus unserer Sicht bei der nächsten Regierungsbeteiligung ein wichtiger Punkt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Josef Fell MdB