Frage an Hans-Josef Fell von Johannes S. bezüglich Energie
Hallo Herr Fell,
in der ZEIT Nr. 34 vom 13. August 2009 ( http://www.zeit.de/2009/34/Foerderung-Solarbranche ) bezieht sich der Autor Fritz Vorholz in seinem Artikel "Viele Milliarden für wenig Strom" auf eine Studie des Rheinisch-Westphalischen Instituts für Wirtschaftsforschung.
Er argumentiert, die festgelegte Einspeisevergütung für Solarstrom nach dem EEG sei zu hoch und würde kontraproduktiv wirken. Solarstrom könne aufgrund sinkender Investitionskosten für die Anlagen annähernd zu Marktpreisen produziert werden, sodass die Förderung zulasten der Stromverbraucher gehe und Strom unnötig verteuere. Durch die Förderung bestehe ein geringer Anreiz für die Hersteller, die Anlagen günstiger anzubieten und die Entwicklungsfortschritte in Form geringerer Preise für die Anlagen weiterzugeben. Die sinkenden Preise von Solarstrom wertet der Autor als Erfolg des EEG und fordert, die Einspeisevergütung nun zu senken, um diese nicht zu Lasten der Verbraucher in die Taschen der Hersteller zu schaufeln. Abschließend wirft der Autor dem Parlament vor, diese Zahlen zu ignorieren und nicht angemessen mit einer deutlichen Senkung der Einspeisevergütung auf die sich verändernde Situation zu reagieren.
Ich möchte mir die Argumentation von Vorholz nicht zu eigen machen. Allerdings hat mich der Artikel nachdenklich gemacht, was mich zum posten dieser Anfrage veranlasst. Als Vater des EEG würde mich Ihre Einschätzung dieser Studie und Ihre Stellungnahme zu den Schlüssen und Forderungen des ZEIT-Autors interessieren.
Viele Grüße
Johannes Schießer
Sehr geehrter Herr Schießer,
mich erreichen in der Tat viele solcher Anfragen bezüglich des Artikels und ähnlich lautender. Ich möchte die Antwort etwas breiter ausfallen lassen, um möglichst alle Aspekte abzudecken.
Gegner der Erneuerbaren Energien aus den Reihen der CDU sowie der FDP fordern bereits, die Vergütungshöhen deutlich zu senken. Dazu muss gesagt, dass bereits das laufende EEG eine spürbare jährliche Senkung der Vergütungshöhe von bis zu 11% vorsieht. Wenn die Vergütung noch drastischer gekürzt wird, dann werden eine Reihe von deutschen Unternehmen schließen müssen, die schon jetzt am Rande der Rentabilität arbeiten. Sollte die Behauptung zutreffen, dass chinesische Unternehmen wettbewerbsfähiger seien als deutsche, dann wäre die von Union und FDP beabsichtigte zusätzliche Senkung der Vergütungshöhen ein Stilllegungsprogramm für deutsche Unternehmen - sozusagen ein Anti-Konjunkturprogramm. Etwa 60.000 Arbeitsplätze wären gefährdet. Dieses hat Übrigens seinen Vorläufer bei den Biokraftstoffen, die unter schwarz-rot ohne vorherige Ankündigung vor der letzten Wahl nach der Wahl erheblich besteuert wurden. Als Konsequenz mussten viele deutsche Mittelständler dicht machen und viele Arbeitsplätze wurden vernichtet. Gewinner waren BP, Shell und Co.
Laut Presseberichten haben in China eine große Zahl von Photovoltaik-Unternehmen geschlossen. Genaueres ist wie so häufig in China schwer zu erfahren. Noch ist unklar, ob einige der verbliebenen chinesischen Solarunternehmen Dumping betreiben. Bei einem Vergleich chinesischer Module mit Modulen aus deutscher oder europäischer Herstellung muss auch die Qualität einbezogen werden.
Immer wieder wird das RWI mit der Abschätzung zitiert, dass auf den Stromkunden Kosten von zig Milliarden Euro zukämen. Dazu muss man zunächst mal wissen, dass das RWI den großen Energiekonzernen nahe steht, die sich mittlerweile selbst mit Kritik gegenüber Erneuerbaren Energien zurück halten, um sich nicht mehr selbst die Finger schmutzig zu machen. Wie üblich bei solchen Berechnungen, die weit in die Zukunft greifen, sind auch diese Zahlen umstritten. Grundsätzlich gilt: Je nachdem, welche Vergütungshöhen, welche jährlich zu vergütenden Kilowattstunden, sowie welche zu einem bestimmten Jahr eingesparten Kosten je Kilowattstunde man annimmt, kommt man zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen.
Die einseitige Betonung der Stromkosten bei der Diskussion um die Zukunftstechnologie Photovoltaik reduziert die Diskussion unzulässig. Zum einen blendet sie die positiven volkswirtschaftlichen Nebenaspekte aus. Dazu gehören u.a. die Einnahmen über die Arbeitsplätze gepaart mit verminderten Ausgaben für Arbeitslose, die vermiedenen externen Kosten sowie die reduzierte Importe fossiler Energien sowie vermiedene externe Kosten. Dazu gehören zum anderen aber auch die große Rolle, die die Photovoltaik aufgrund der Leistungen Deutschland für den Klimaschutz schon in wenigen Jahren spielen wird, bis hin zu der stabilisierenden Wirkung der vielen neuen Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen insbesondere in den Neuen Bundesländern. Dies darf in der Diskussion nicht ausgeblendet werden.
Wenn über die Kosten für Stromkunden gesprochen wird, muss aber festgehalten werden, dass die Preise, die die Stromkunden zahlen, nicht mit den Kosten der Stromerzeugung gleichzusetzen sind. Mehrkosten haben daher nicht automatisch in gleichem Umfang höhere Preise zur Folge. Ursache dafür ist, dass der Strommarkt aufgrund der Oligopol-Situation nicht richtig funktioniert. Die Energiekonzerne erzielen Preise, die weit oberhalb ihrer Kosten liegen. Es ist anzunehmen, dass sie bereits das Preismaximum ausgeschöpft haben. Höhere Kosten führen dann nicht zu höheren Strompreisen sondern zu geringeren Margen der Energieversorger. Da der "Strommarkt" alles andere als transparent ist, lässt sich nicht abschätzen, wie sich Kosten derzeit auf Preise auswirken.
Manchmal weiß man nicht, ob diejenigen, die sich für eine drastische Senkung der Vergütungshöhe aussprechen, böswillig sind oder sich einfach nicht mit der Materie auskennen. Die Befürworter einer drastischen Vergütungssenkung „übersehen, dass die Modulpreise nur einen Teil der Kosten einer Photovoltaikanlage ausmachen und nicht mit den Gesamtkosten gleichzusetzen sind. Dennoch fordern sie eine Kürzung der Vergütungshöhe um 30%, wenn sie lesen, dass die Modulpreise um 20-30% gesunken sind. Über den Daumen gerechnet müssten die Modulkosten jährlich um 15% sinken, um die bestehende gesetzliche Degression auszugleichen. Nachdem die Degression aber bereits für 2009 deutlich erhöht wurde, wären damit die überdurchschnittlich hohen Preissenkungen bei den Solarmodulen in diesem Jahr mit der nächsten Degressionsstufe am 1. Januar 2010 bereits ausgeglichen. Fazit: Der in der Öffentlichkeit lautstark geforderte Ausgleich der gefallenen Modulpreise über niedrigere Einspeisungsvergütungen findet bereits durch die bestehende gesetzliche Regelung statt. Wer da noch was oben drauf legen möchte, sollte sich deutlich tiefer mit der Materie auseinandersetzen als dies bislang offenbar geschehen ist.
Welche zielführenden Maßnahmen sollte die Politik ergreifen, damit die Kosten noch stärker sinken und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Photovoltaik-Unternehmen verbessert wird?
a) Das flexible Marktdegressionsmodell im EEG muss ausgebaut werden. Das Modell wurde von den Grünen während der letzten EEG-Novellierungsphase vorgelegt aber nur ansatzweise umgesetzt. Das Modell sieht vor, dass bei höherem Marktwachstum in Deutschland als vorgesehen, die Vergütung stärker absinkt und bei schwächerem Marktwachstum schwächer absinkt. Damit kann vermieden werden, dass der deutsche Markt weltweit zu stark beansprucht wird. Zudem können die Kosten im Griff gehalten werden. b) Wer die Kostensenkung der Photovoltaik beschleunigen will, muss mehr in die Forschung- und Entwicklung investieren. Genau dies hat die US-Regierung unter Obama und dem neuen Minister des US-Energieministeriums, Stephen Chu erkannt. Die USA wollen die Solar-Forschungsmittel drastisch erhöhen. Das ist eine intelligente Antwort auf chinesisches Billiganbieter. Deutschland sollte genau diesen Weg einschlagen. Die Bundesregierung beabsichtigt das Gegenteil. Sie schwächt damit weiter die Position der deutschen Unternehmen und verringert damit auch zukünftige Spielräume für Senkungen der Vergütungshöhe. Je schneller die technologische Entwicklung bei der Photovoltaik, desto schneller wird Solarstrom wettbewerbsfähig und umso schneller erübrigt sich die Kostendiskussion. Hier muss man Gas geben wie Obama und nicht auf die Bremse treten wie Merkel.
Protektionistische Maßnahmen sind hingegen grundsätzlich abzulehnen. Sie würden die technologische Entwicklung bremsen und die Kosten für die Anlagenkäufer unnötig hoch halten. Eine Ausnahme von dieser Regel wäre lediglich dann gegeben, wenn chinesischen Anlagenherstellern Dumping nachgewiesen werden könnte, oder die chinesische Regierung ihrerseits mit protektionistischen Maßnahmen deutsche Module vom chinesischen Markt fernhalten würde. Da es erste Anzeichen für solche protektionistische Maßnahmen in China gibt, ist die Bundesregierung aufgefordert, diese Entwicklung scharf zu beobachten.
Freundliche Grüße
Hans-Josef Fell MdB