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Hans Joachim Schabedoth
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Frage von Helmut E. •

Frage an Hans Joachim Schabedoth von Helmut E. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Derzeit steht das Freihandelsabkommen TTIP zwischen USA und der EU dank vieler kritischer Bürger im Focus der Medien. Als Folge der Bürgerproteste sind die Verhandlungen über ein Investor-Schutzabkommen derzeit auf Eis gelegt. Das bedeutet allerdings nur einen Aufschub. Vermutlich hoffen die Verhandlungsführer, dass sich die Aufregung der Bürger bald wieder legen wird, um dann hinter verschlossenen Türen weiter verhandeln zu können. Diese Geheimverhandlungen zu TTIP, ohne Mitwirkungsmöglichkeit gewählter Parlamentarier, dürfen jedoch nicht weiter voran getrieben werden.
Aber es geht nicht nur um das Freihandelsabkommen TTIP sondern auch um ein ähnliches Abkommen zwischen Kanada und der EU namens CETA. Dieses ist viel weiter fortgeschritten als TTIP. Die Verhandlungen über CETA sollen bereits Mitte dieses Jahres abgeschlossen sein. Nachdem als Ziel von CETA wie für TTIP der Abbau von Handelshemmnissen eine wichtige Rolle spielt, ein Investitions-Schutz-Kapitel und ein Investor-Staat Prozessverfahren (ISDS) Bestandteil von CETA sein sollen, bin ich ganz entschieden gegen den Abschluss von CETA. Denn durch dieses Handelsabkommen würden die demokratischen Rechte der Bürger unterminiert und die Staaten daran gehindert, Umwelt- und Sozialstandards weiter entwickeln und verbessern zu können. Mit CETA würden somit in erster Linie Schutzmaßnahmen für Konzerne geschaffen, die den sozialen oder ökologischen Fortschritt in der EU verhindern könnten. Dazu kommt, dass bei einem Scheitern des Freihandelsabkommens TTIP, US amerikanische Firmen, die in Kanada mit Tochtergesellschaften vertreten sind, von CETA genauso profitieren würden wie von TTIP, das nach Abschluss von CETA gar nicht mehr erforderlich wäre!

Ich bitte Sie, mir zu erläutern, wie Sie die genannten Vorbehalte gegen die beiden Freihandelsabkommen beurteilen und ob ihre Partei trotz allem einem Abschluss der genannten Abkommen positiv gegenübersteht.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Ernst,

vielen Dank für Ihr Schreiben, in dem Sie Sich kritisch zu den Verhandlungen für ein Handels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) sowie der EU und Kanada (CETA) äußern. Mit Ihrer Frage berühren Sie einen Themenkomplex, der wie kaum ein anderer viele von uns – mich eingeschlossen - bewegt. Die Vehemenz und Leidenschaft, mit der die geplanten neuen Freihandelsabkommen in der Zivilgesellschaft angesprochen werden, erinnern mich stark an das Engagement der Friedensbewegung in den 1980er Jahren und an die Anti-Atombewegung.

Dies ist für sich genommen zunächst schon einmal ein Positivum, denn echte Demokratie bedarf nicht nur der Kontroverse innerhalb der Parlamente, sondern auch eines streitbaren Dialogs zwischen den Parlamenten und der Zivilgesellschaft. Ein Beispiel: der Atomausstieg ist zwar im Bundestag beschlossen worden. Ich vermute allerdings, dass dieser Beschluss gegen die Interessen der mächtigen Atomkraftlobby ohne die jahrzehntelangen Proteste in Gorleben, Brokdorf und Krümel trotz des Fukushima-Schocks nicht so leicht nicht durchzusetzen gewesen wäre. Auch bei CETA und TTIP haben wir es mit einflussreichen Lobby-Gruppen zu tun, die sich beiderseits des Atlantiks für eine möglichst radikale Beseitigung sogenannter Handelshemmnisse einsetzen. Bei dem, was dort als Handelshemmnis bezeichnet wird, handelt es sich aus Sicht der Bevölkerungen, der Verbraucherschützer und der Gewerkschaften aber um erkämpfte Errungenschaften und schutzwürdige Güter, von denen eine ganze Reihe auf keinen Fall geopfert werden dürfen.

Was sind die positiven Verheißungen der beiden Abkommen? In einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zu TTIP ist von einem Wachstumsschub, neuen Arbeitsplätzen und mehr Einkommen für alle die Rede. Selbst in dieser sehr optimistischen Untersuchungen fallen diese Zugewinne aber geradezu lächerlich gering aus. Um es kurz und klar zu sagen: mit einer im Durchschnitt dreiprozentigen Erhöhung der unteren und mittleren Einkommen wäre in allen drei Bereichen deutlich besser Ergebnisse zu erzielen. Dazu würde es keiner weiteren Freihandelsabkommen bedürfen.

Grade als Gewerkschafter muss ich gegenüber einem exzessiven Freihandel auch Bedenken haben. So ist auch bei dem zwischen 1989 und 1994 verhandelten nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA mit mehr Arbeitsplätzen geworben worden. Tatsächlich ist es aber vor allem zu für die Beschäftigten negativen Produktionsverlagerungen in der Automobil- als auch in der Textilindustrie gekommen. Dass dabei vor allem in Mexiko mehr Jobs in den „Sweatshops“ entstanden sind, wo Menschen zu niedrigsten Löhnen und unter inhumanen Bedingungen arbeiten müssen, kann ich nicht positiv bewerten.

Meine kritische Haltung zu weiteren Freihandelsabkommen ist auch darin begründet, dass wir mit jedem neue völkerrechtliche Verpflichtungen eingehen, die dann – zumindest einseitig – nie mehr zu lösen sind. Hinzu kommt, dass wir es bei diesen Abkommen umfassenden und komplexen juristischen Texten zu tun haben, die ohne ausgewiesen Expertise im internationalen Handelsrecht, detailliertes Verständnis der einschlägigen WTO-, GATT- und GATS-Abkommen nicht verständlich und kaum bewertbar sind. Beispielsweise hat das im vergangenen Jahr ratifizierte Freihandelsabkommen der EU mit Peru und Kolumbien einen Umfang von über zweieinhalb tausend Seiten, die im übrigen vollgespickt sind mit Geboten und Verboten zum Schutz von geistigem Eigentum und anderen Konzerninteressen. Solche juristischen Mammutwerke zu bewerten und dann richtig abzustimmen, muss eigentlich jedes Parlament überfordern.

Bereits jetzt werden wir Parlamentarier mit Stellungnahmen und Zwischeninformationen versorgt, die vor allem Bedenken zerstreuen sollen. Bedenklich stimmt auch die völlige Intransparenz der Verhandlungen und dass weder das EU-Parlament noch der Bundestag eine Möglichkeit haben, an den Abkommen mitzuwirken. Vor diesem Hintergrund bin ich dankbar, wie sachkundig und investigativ viele Organisationen der Zivilgesellschaft, sowohl in Europa als auch in den USA, die Verhandlungen begleiten und uns mit ihrer Expertise wichtige unabhängige Informationen und Entscheidungshilfen geben.

Mir wäre deutlich wohler, wenn wir uns aktuell mit der Verhandlung im Rahmen der WTO, die ein weltweites Fairhandelsabkommen zum Ziel hat, befassen müssten. Dabei wären ganz andere Prioritäten zu setzen: Vereinbarung möglichst hoher Standards für den Schutz der Umwelt, von Arbeitnehmer- und Verbraucherrechten, Verringerung des Ressourcenverbrauchs bei Rohstoffen und Energie.

Ich kann nicht voraussagen, wie die Verhandlungen weitergehen oder zu welchem Ergebnis sie führen werden. Meine Position und Skepsis habe ich Ihnen jedoch wohl deutlich gemacht.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Hans-Joachim Schabedoth, MdB