Frage an Hans-Joachim Hacker von Hendrick K. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herrr Hacker,
Bei der gestrigen 90. Sitzung des Verkehrsausschusses (VA) wurde das VertragsG zum bilateralen Staatsvertrag, der den rechtlichen Rahmen für den Bau einer festen Fehmarnbeltquerung schaffen soll, abschließend behandelt, d.h. die Mehrheit der VA-Mitglieder sehen keinen weiteren Klärungsbedarf zum Gesetz und werden dessen Annahme empfehlen. Diese Vorschlag nehme ich mit Verwunderung zur Kenntnis.
Letztere bezieht sich auf folgende Sachverhalte:
(1) Das offizielle Protokoll der Sachverständigen-Anhörung in der 88. Ausschusssitzung liegt bis heute nicht vor; es gibt nur eine vorläufige Druckversion. Die auf Dänisch gemachten Aussagen von Herrn Peter Lundhus sind also noch nicht in einer offiziellen Übersetzung bekannt. Die Simultanübersetzung seiner Aussagen im VA waren teilweise nur bruchstückhaft. Wie kann dann der VA ohne eine eingehende Protokollauswertung eine abschließende Abstimmungs-Empfehlung abgeben? Wird damit nicht die ganze Anhörung zu einer Farce und Feigenblattaktion? Liegt hier nicht auch ein ganz offensichtlicher Verfahrensfehler vor?
(2) Aus der Wettbewerbs-Beschwerde des Aktionsbündnisses bei der Europäischen Kommission ergibt sich weiterer grundsätzlicher Klärungsbedarf zur möglichen Rechtswidrigkeit des Vertrags und der damit verbundenen Folgen für Deutschland. Kann der VA verantworten, diese Fragen nicht zu untersuchen?
(3) Auch dem Haushaltsausschuss lag bis gestern die Stellungnahme des Bundesrechnungshofes nicht zu seiner Sitzung vor, auf der das Projekt ebenfalls auf der Tagesordnung stand. Auch dort also ein Verfahrensfehler, wie Sie als Jurist wissen dürften!
Der Beschluss der großen Koalition zur Verschiebung der zweiten und dritten Lesung des VertragsG auf den 18. Juni schafft Raum für dessen weiterer Behandlung im VA. Können Sie mir (als noch nicht gänzlich verblödetem Wähler) erklären, warum das Gesetz in dieser unangemessen Eile noch vor den Wahlen verabschiedet werden muss?
Beste Grüße
H. Kerlen
Sehr geehrter Herr Kerlen,
das Gesetz über den Staatsvertrag zwischen dem Königreich Dänemark und der Bundesrepublik Deutschland zur Errichtung einer Festen Fehmarnbeltquerung wird nicht "in unangemessener Eile" verabschiedet.
Zwischen dem Königreich Dänemark und der Bundesrepublik Deutschland gibt es seit 1992 Gespräche über eine feste Verbindung zwischen der Insel Fehmarn und der dänischen Insel Lolland. Die Bundesregierung hat die Parlamentarier zeitnah über die im vorigen Jahr gelaufenen Verhandlungen mit Dänemark informiert, die zum Abschluss des Staatsvertrages vom 3. September 2008 geführt haben. Der Text des Staatsvertrages ist den Abgeordneten des Deutschen Bundestages seit Monaten zugänglich. In Verbindung mit dem Abschluss des Staatsvertrages war offensichtlich, dass sich der Bundestag mit dem Vertragswerk beschäftigen muss, da das Grundgesetz eine entsprechende Parlamentsbeteiligung vorschreibt. Anfang März 2009 hat sich der Bundestag in erster Lesung mit dem Vertragswerk beschäftigt. Ich habe dafür plädiert, eine Anhörung des Ausschusses durchzuführen, um Fragen zu erörtern, deren Beantwortung objektiv nicht aus dem Vertragstext abgeleitet werden können. Diese Anhörung hat stattgefunden. Das Ergebnis der Expertenanhörung liegt auf dem Tisch - bis auf die Übersetzung der Ausführungen von Herrn Lundhus, die am 27. Mai übergeben wurde. Die grundsätzliche Stellungnahme des Sachverständigen Lundhus, die dem Ausschuss in Schriftform zugeleitet war jedoch rechtzeitig vor der Ausschusssitzung zugänglich.
Insofern war die Grundlage für die Entscheidung des Verkehrsausschusses über den Staatsvertrag gegeben.
Fest steht auch, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht alle technischen und ökologischen Fragestellungen beantwortet werden können, weil dazu die vorgesehene circa zweijährige Planuntersuchung erst Erkenntnisse bringen kann. Der Staatsvertrag schafft die rechtliche Grundlage für diese weiteren Untersuchungen. Er lässt auch offen, ob ein Tunnelbauwerk oder eine Brückenkonstruktion errichtet werden soll. Dies hat auch die Anhörung ergeben. Die Anhörung hat durchaus neue Erkenntnisse ergeben, die eine gute Entscheidungsgrundlage für die Abgeordneten darstellt. Obwohl der Sachverständige Herr Siegert (NABU) als scharfer Kritiker einer Festen Querung sich gegen das Projekt ausgesprochen hat, hat er für den Fall einer Realisierung die Tunnellösung bevorzugt.
Jetzt kommt es darauf an, in einem circa zweijährigen Verfahren die Detailfragen zu untersuchen. Dieses kann nur im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens und der Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgen. Der Staatsvertrag schafft dafür die Grundlage.
Über die von Ihnen erwähnte Wettbewerbsbeschwerde des Aktionsbündnisses bei der Europäischen Kommission hat die Europäische Kommission und nicht der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages zu entscheiden.
Eine Stellungnahme des Bundesrechnungshofes liegt den Abgeordneten des Bundestages bereits seit dem letzten Jahr vor. Zu dieser Stellungnahme hat die Bundesregierung ausführlich geantwortet. Die erneute Stellungnahme greift insofern Argumente auf, mit denen sich die Bundesregierung bereits auseinandergesetzt hatte und die teilweise spekulativ sind.
Ich gehe davon aus, dass jene Abgeordneten, die sich in den zurückliegenden Monaten sowohl mit dem Vertragstext als auch mit dem vorliegenden schriftlichen Stellungnahmen aller Sachverständigen informiert haben, entscheidungsfähig sind. Ich räume ein, dass neben einem Sachverständigen auch Bundestagsabgeordnete und Vertreter von Bürgerinitiativen dem Projekt Feste Fehmarnbeltquerung ablehnend gegenüberstehen. Das Plenum kann und muss jedoch jetzt zu einer Entscheidung kommen und dafür bitte ich um Ihr Verständnis.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Hacker, MdB