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Hans-Georg Faust
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Frage von eberhard g. •

Frage an Hans-Georg Faust von eberhard g. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Dr. Faust,

sind Sie nicht wie viele Fachleute der Meinung, dass sich die Trennung von Krankenkassen und Pflegekassen negativ auf die Versicherten auswirkt, weil dadurch zahlreiche Einsparungen für den eigenen Part möglich sind, die den anderen Part belasten. Das heisst, dass Untätigkeit auf Seiten der Pflegekasse und auf Kosten der Krankenkassen von den Pflegekassen gerne in Kauf genommen werden, weil man ja seinbar selbst sparen kann, auch wenn dieses Verhalten auf Kosten der Versicherten geht.
Meinen Sie nicht auch, dass eine Zusammenlegung von Kranken- und Pflegekassen diesen "Verschiebebahnhof" abschaffen und sich zugusten der Versicherten und dabei auch noch kostensparend auswirken würde ?
Danke.
MfG
Gruber

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Gruber,

ich stimme Ihrer Schlussfolgerung nicht zu.

Die mit Wirkung vom 1. Januar 1995 eingeführte gesetzliche Pflegeversicherung hat sich als wesentlicher Bestandteil des Sozialsystems der Bundesrepublik Deutschland bewährt. Denn mit Blick auf die finanziellen, physischen und psychischen Überforderungen der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen und dem sich abzeichnenden Wandel der Familienstrukturen war die Einführung eines obligatorischen Sicherungssystems für das Pflegerisiko dringend notwendig und richtig. Der Absicherung des typischen Lebensrisikos der Pflegebedürfigkeit stand die Überlegung gegenüber, dass für viele pflegebedürftige Menschen nach einem arbeitsreichen Leben und nach jahrzehntelanger Beitragszahlung in die Sozialversicherungssysteme ausgerechnet für das allgemeine und typische Risiko der Pflegebedürftigkeit nur das eigene Vermögen und subsidiär die Sozialhilfe zur Verfügung stand. Mit der Einführung der Pflegeversicherung wurden Aufwendungen für Pflegebedürftigkeit reguläre Versicherungsleistungen mit dem Ergebnis, dass heute zahlreiche Pflegebedürftige und deren Angehörige diese erhalten und nicht auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen sind. Darüber hinaus erfolgte durch die soziale Absicherung (u. a. im Rentenrecht) von Pflegepersonen im Rahmen häuslicher Pflege die notwendige gesellschaftliche Anerkennung deren pflegerischer Tätigkeit.

Die Sicherstellung notwendiger Hilfen bei Pflegebedarf und insbesondere die Vermeidung bzw. Minderung von Pflegebedürftigkeit ist dabei nicht allein beschränkt auf das Finanzierungs- und Leistungsspektrum der Pflegeversicherung. Die Aufteilung auf Leistungen der Pflegeversicherung, Leistungen anderer Sozialleistungsträger (u. a. gesetzliche Krankenversicherung), staatlicher und kommunaler Träger, Eigenleistungen und ehrenamtlicher Hilfen war und ist nicht nur politisch gewollt, sondern auch richtig. Von daher ist die Pflegeversicherung so angelegt, dass sie im ambulanten Bereich ergänzende Leistungen zur Familienpflege und bei stationärer Pflege entlastende finanzielle Hilfen zur Verfügung stellt. Zu keiner Zeit waren bedarfsnotwendige (Sach-)Leistungen vorgesehen, so dass die Pflegeversicherung hinsichtlich ihres Leistungsumfangs den Charakter einer „Teil-Kasko-Versicherung“ hat. Auch dies ist ein richtiger und auch zukünftig beizubehaltender Ansatz.

Die Pflegeversicherung kann daher seit ihrer Einführung im Jahr 1995 beträchtliche Erfolge aufweisen, insbesondere:

• Der die Pflegeversicherung – wie auch die übrigen Sozialversicherungssysteme – tragende Grundsatz der Beitragssatzstabiliät ist im Hinblick auf die Wettbewerbssituation der deutschen Wirtschaft von erheblicher Bedeutung.

• Rund 2 Mio. Pflegebedürftige erhalten heute Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Entsprechend dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ ca. 1,3 Mio. für die häusliche Versorgung.

• Die vormals pflegebedingte Abhängigkeit von Sozialhilfe konnte im Bereich der häuslichen Pflege auf ca. 5 v. H. (vorher 8–9 v. H. in den alten Bundesländern und ca. 14 v. H. in den neuen Bundesländern) reduziert werden. Im stationären Bereich konnte eine erhebliche Verringerung der Sozialhilfeabhängigkeit von rd. 80 v. H. auf ca. 30 v. H. erreicht werden.

• Durch zwischenzeitliche Gesetzesänderungen (z. B. 4. SGB XI-ÄndG, Pflege-Qualitätssicherungs-Gesetz, Pflegeleistungs-Ergänzungs-Gesetz) und Entscheidungen des Bundessozialgerichts sind weitere Leistungs- und Qualitätsmerkmale in das Pflegegeschehen eingeflossen. Auch darin manifestiert sich eine positive Entwicklung zu Gunsten der Pflegebedürftigen und der am Pflegeprozess Beteiligten.

In der Zusammenlegung von Sozialer Pflegeversicherung und Gesetzlicher Krankenversicherung sehe ich u.a. wegen der unterschiedlichen Ordnungsprinzipien mehr Nachteile als Vorteile. Die Effekte einer Integration müssen vor allem vor dem Hintergrund der Struktur- und Systemunterschiede bewertet werden. Bei grundsätzlicher Beibehaltung der jetzigen Rahmenbedingungen der Pflegeversicherung (u. a. Teilkaskostruktur, Leistungsbudgets; vollständigem Finanzausgleich bei gesetzlich festgelegtem Beitragssatz, gemeinsamem und einheitlichem Handeln der Leistungsträger (einschl. der Sozialhilfeträger) wäre eine Integration weder sinnvoll noch zielführend, zumal damit die Schnittstellenprobleme keineswegs gelöst würden. Eine Integration auf der Grundlage der derzeitigen Rahmenbedingungen würde unkalkulierbare Risiken in sich bergen. Für die Pflegebedürftigen wären angesichts der wettbewerblichen Bedingungen in der gesetzlichen Krankenversicherung eher Nachteile zu erwarten.

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist auch künftig die umfassende Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit notwendig. Auch die Zunahme allein stehender älterer Menschen – auf der Basis sich ändernder Lebens- und Familienstrukturen – und der sich daraus ergebenden steigenden Versorgung der Bevölkerung mit Pflegedienstleistungen machen eine entsprechende Absicherung notwendig. Nur der Erhalt einer eigenständigen gesetzlichen Pflegeversicherung ermöglicht eine – strukturell notwendige – Weiterentwicklung, um den künftigen Herausforderungen gewachsen zu sein.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans Georg Faust, MdB