Frage an Hans-Georg Faust von Guido T. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Dr. Faust,
derzeit wird immer wieder die so genannte elektronische Gesundheitskarte als die Rettung für das deutsche Gesundheitswesen angepriesen. Ich würde gern wissen, wie Sie sich zu diesem Thema positionieren, da ich mir als Patient und Bürger gravierende Sorgen mache.
Diese betreffen die folgenden Punkte:
1. Kosten der Einführung: Wer trägt diese in Anbetracht leerer Kassen und schon jetzt fehlender Milliarden vor allem in der ambulanten Krankenversorgung ? 2. Einsparungen und erhöhte Patientensicherheit: Angeblich soll jeder Patient selbst entscheiden dürfen, welche Daten auf die Karte kommen. Wer haftet für die Vollständigkeit und Verwendbarkeit der Daten ? Warum findet keine Volksbefragung zur Akzeptanz statt, bevor Kosten generiert werden ? Einsparung durch Vermeidung von Doppeluntersuchungen: Soweit mir bekannt ist, zahlen doch aber derzeit die Kassen eine Kopfpauschale mit befreiender Wirkung an die Ärzte und keine Einzelleistungsvergütung. D.h. doch, daß die Kosten für Mehrfachuntersuchungen derzeit von den Ärzten getragen werden.
3. Datensicherheit: Wie wollen Sie sicherstellen, daß sensible Patientendaten nicht mißbräuchlich verwendet werden ? Ich hätte jedenfalls wenig Interesse daran, daß mein Gesundheitszustand im Internet zu lesen ist und jeder (Bank, Versicherungen etc.) darauf zugreifen kann.
4. Handling: Nach den derzeit im www berichteten Erfahrungen mit der Karte gibt es erhebliche Probleme im Handling, das sehr zeitaufwendig ist. Mir reichen die Wartezeiten in den Praxen schon jetzt. Zudem gibt es in Deutschland noch große Gebiete ohne DSL-Versorgung, vor allem auf dem Land, wo wenige Ärzte sehr viele Patienten betreuen. Wie soll das Problem dort gelöst werden ?
Vielen Dank für Ihre Antwort und freundliche Grüsse
Guido Tietz
Sehr geehrter Herr Tietz,
gerne beantworte ich Ihre Fragen zur elektronischen Gesundheitskarte.
*Fragekomplex Kosten & Einsparungen:*
Die Beantwortung dieser Frage war ein Bestandteil der Kosten-Nutzen-Analyse der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton. Laut dieser Untersuchung muss hier grundsätzlich unterschieden werden, wie eine Praxis EDV-mäßig ausgerüstet ist. Man geht davon aus, dass Ärzte, die neuere Betriebssysteme im Einsatz haben (Windows 2000, Windows XP, Linux) nur einen Update ihres Primärsystems, einen Konnektor, ein Kartenterminal und ggf. ein Notebook benötigen. Praxen mit älteren Betriebssystemen (DOS, Win 3.11, Win 95/98 oder Win NT) hingegen müssen alle Komponenten neu anschaffen. Ca. 56,5% der Praxen können der ersten Gruppe zugeordnet werden, 43,5% der zweiten Gruppe (einschl. der Praxen, die über keine EDV-Ausstattung verfügen).
Die Spitzenorganisationen der Selbstverwaltung, d.h. Krankenkassen und Kassenärzliche Vereinigung, haben eine Vereinbarung zur Finanzierung der Telematik-Infrastruktur geschlossen. Danach erhalten die Leistungserbringer in der Festlegungs-, Erprobungs-, Einführungs- und Betriebsphase Zuschläge zur Refinanzierung ihrer Kosten. Mit dem Gesetz zur Organisationsstruktur der Telematik im Gesundheitswesen, das am 28. Juni 2005 in Kraft getreten ist, wird die Finanzierung der Telematikkosten gesetzlich abgesichert. Durch die Vermeidung von z.B. Doppeluntersuchungen stehen den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten effektiv mehr Mittel zur Versorgung der Patientinnen und Patienten zur Verfügung, da diese Mehrfachuntersuchungen nicht mehr aus der Gesamtvergütung der Krankenkassen vergütet werden.
*Fragekomplex Datenschutz & Patientensicherheit:*
Die mit der elektronischen Gesundheitskarte verbundene Technologie ermöglicht im Gegensatz zur alten Krankenversichertenkarte eine gezielte Verschlüsselung persönlicher Daten. In die Gestaltung der Technik ist das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bei allen Schritten mit einbezogen. Alle Verbindungen in die Telematikinfrastruktur laufen über gesicherte VPN-Verbindungen. Speziell die Verbindung Konnektor/Telematikinfrastruktur wird hierbei durch eine VPN-Verbindung gesichert.
Darüber hinaus wurden in enger Abstimmung mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit folgende Regelungen in das Sozialgesetzbuch V aufgenommen:
.. Das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von medizinischen Daten mittels der elektronischen Gesundheitskarte ist nur mit dem Einverständnis (der Versicherten) und nach vorheriger Information der Versicherten zulässig. Die Datenverarbeitung mit Hilfe der elektronischen Gesundheitskarte beschränkt sich auf das zur Versorgung Erforderliche. Patienten können einzelne Datensegmente für den Zugriff freigeben oder sperren oder auch löschen.
.. Darüber hinaus ist durch technische Vorkehrungen zu gewährleisten, dass der Zugriff nur durch Autorisierung der Versicherten und grundsätzlich nur zusammen mit einem elektronischen Heilberufsausweis erfolgt. Dieses Zwei-Schlüssel-Prinzip ist ein wichtiges Sicherheitselement: Nur wenn Arzt und Patient gleichzeitig ihre Schlüssel nutzen, sind die Daten lesbar.
.. Nicht Zugriffsberechtigte dürfen vom Versicherten nicht verlangen, Zugriff auf die Daten der elektronischen Gesundheitskarte zu erhalten, ein solches Verlangen darf mit den Versicherten auch nicht vereinbart werden. Dies gilt auch für Zugriffsberechtigte, die den Zugriff zu anderen Zwecken als zu Versorgungszwecken verlangen (zum Beispiel ein Betriebsarzt).
.. Die elektronische Gesundheitskarte darf nicht beschlagnahmt werden.
.. Um die mittels der elektronischen Gesundheitskarte erfolgten Zugriffe kontrollieren zu können, sehen die gesetzlichen Regelungen vor, dass die letzten 50 Zugriffe protokolliert werden müssen.
.. Der Schutz vor Missbrauch der Gesundheitsdaten wird zusätzlich durch spezielle Strafvorschriften gestärkt.
*Fragekomplex Handling:*
Im Dezember 2005 haben bei der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH (gematik) die Labor- und Anwendertests für den ersten zu testenden Funktionsabschnitt der elektronischen Gesundheitskarte begonnen.
Nach erfolgreichem Abschluss dieser ersten Teststufen wurden im Dezember 2006 die Testvorhaben mit Echtdaten in den Testregionen Schleswig-Holstein (Flensburg) und Sachsen (Löbau-Zittau) aufgenommen. Dabei wurden zunächst die Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte mit bereits existierenden Multifunktions-Kartenterminals sowie der Parallelbetrieb der elektronischen Gesundheitskarte und der im Umlauf befindlichen Krankenversichertenkarte getestet. Der bisherige Verlauf der Feldtests ist nahezu reibungslos und kann daher mit gut bewertet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans Georg Faust MdB