Frage an Hans-Georg Faust von Jens K. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Dr. Faust,
ist ihnen bekannt, daß die von ihnen in ihrer letzten Antwort benannte Fallstudie zur Privatisierung von Krankenhäusern aus 2004 lediglich auf der telefonischen Befragung von gerade 20 Krankenhausmitarbeitern in unterschiedlichsten Leitungspositionen an drei privatisierten Einrichtungen beruht und daß diese „Fallstudie“ von verdi nicht autorisiert wurde? (Quelle: http://hamburg.verdi.de/presse_hh/pressemitteilungen )
Halten sie die telefonische Befragung von 20 Mitarbeitern privater Krankenhäuser für bundesweit repräsentativ?
Halten sie die aktuelle Studie (Göttinger Tageblatt vom 09. Juli 2009) Hamburger Rechtsmediziner, nach der von 8500 untersuchten Toten, jeder achte über Sechzigjährige Dekubitalgeschwüre aufwies und jeder dritte verstorbene Heimbewohner untergewichtig war für transparent?
Halten sie ähnliche Ergebnisse in Niedersachsen oder bundesweit für möglich? Welche Aussagen lassen sich daraus zur Wirksamkeit der MDK – Kontrollen ableiten? Welche Aussagen lassen sich aus derartigen Fakten über die Qualität der Pflege, bzw. über die Ausbildung in den Pflegeberufen, bzw. über die Eingangsvoraussetzungen der Pflegeausbildung ableiten?
Woraus schließen sie auf eine SPD - Nähe der AWO?
Ist es nicht ziemlich egal, ob ein christlicher, privater oder frei gemeinnütziger Arbeitgeber "Leiharbeiter in der Pflege" dazu nutzt Wohlverhalten und Akzeptanz schlechter Arbeitsbedingungen/Entlohnung von Leiharbeitern und Stammpersonal zu "erzwingen"?
Ist ihnen in dieser Beziehung die konkrete Lage in Südniedersachsen vertraut und wie beurteilen sie diese.
Mit freundlichen Grüßen
J. Kutschmann
Sehr geehrter Herr Kutschmann,
die Privatisierung von Krankenhäusern wurde von den Gewerkschaften, so vor allem der vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, stark kritisiert. Gängige These war: die Privatisierung sei oftmals verbunden mit einem „Hire and fire“ - also einer Entlassung von bisherigem Stammpersonal, einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die Klinikbeschäftigten und einer Patientenselektion - begleitet von einer Umstellung der Flächentarifverträge auf Haustarife oder regionale Tarifverträge.
Diese gängige Gewerkschaftsthese wollte ver.di dann auch durch die Beauftragung der Unternehmensberatungsfirma PLS Rambøll Management mit der „Fallstudie: Privatisierungen von Krankenhäusern“ bestätigen lassen.
Die Firma PLS Rambøll Management ist eine Beratungsgesellschaft, die vor allem im skandinavischen Raum geschäftlich aktiv ist. Schwerpunkt der Beratung sind die Bereiche Research, Survey, Management und Informationstechnologie. Die Firma berät bereits seit mehr als 30 Jahren Auftraggeber in den skandinavischen Ländern, seit 2000 auch in Deutschland. Für deutsche Auftraggeber hat PLS Rambøll Management verschiedene Krankenhausstudien veröffentlicht.
Die „Fallstudie: Privatisierungen von Krankenhäusern“ offenbarte aber andere, die Gewerkschaft ver.di sehr überraschende Erkenntnisse: die Privatisierungsaktionen durch Klinikkonzerne verliefen in geordneten Bahnen. Größere Personalfreisetzungsaktionen kamen kaum vor. Allerdings wurde der Betriebsführungsstil meistens geändert und auf das Unternehmensziel des Klinikkonzerns neu ausgerichtet. Darüber hinaus haben die privaten Klinikträger neue Geschäftsfelder besetzt. Der Versorgungsauftrag wurde fortgeführt. Dies gilt insbesondere auch für die Implementierung von diagnosebezogenen Fallpauschalen, eine verstärkte Diversifizierung durch Integrierte Versorgung, eine zunehmende Internationalisierung, eine gezielte Produktivitätssteigerung und eine Verbesserung der Ergebnisqualität der Krankenhäuser. In der Regel wurde die Leistungseffizienz bei den übernommenen Krankenhäusern im Klinikverbund gesteigert. Eine zentrale Aussage der „Fallstudie: Privatisierungen von Krankenhäusern“: „Es geht keinem der Krankenhäuser nach der Privatisierung schlechter als zuvor. Tendenziell stehen die Krankenhäuser nach der Privatisierung sogar besser als vorher da.“
In den neuen Bundesländern war die Privatisierung aus der Sicht der Beschäftigten meistens die einzige Möglichkeit, ihr Haus zu „retten“. Wenn auch Teile der Bevölkerung sich emotional gegen eine Privatisierung äußerten, war dennoch ausschlaggebend, dass Arbeitsplätze erhalten und keine wesentlichen Einschränkungen in die bisherige stationäre Versorgung erfolgten. So haben die in die Analyse einbezogenen Klinikkonzerne kaum Beschäftigte übernommener Krankenhäuser entlassen. Die befürchtete Risikoselektion, Leistungseinschränkung oder weitere Rationierung von Leistungen wurde als unerheblich bezeichnet.
Die Firma PLS Rambøll Management hat im Auftrag von ver.di 1 ½ bis 2 ½ stündige qualitative Telefoninterviews mit Betriebsräten, Konzernbetriebsräten und Aufsichtsratsmitgliedern geführt. So wurden u. a.:
• Herr M. W., Aufsichtsratsmitglied der Rhön-Kliniken AG, Gewerkschaftssekretär ver.di,
• Herr J. W., stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Wittgenstein Kliniken AG, Gewerkschaftssekretär ver.di,
• Herr H. K., Aufsichtsratsmitglied Wittgenstein Kliniken AG, Gewerkschaftssekretär ver.di,
• Herr Dr. L.H. Konzernbetriebsrat Klinikum Berlin/Buch, Helios-Kliniken GmbH,
• Herr Dr.-Ing. R. S., Betriebsratsvorsitzender Klinikum Erfurt GmbH, Helios, sowie Aufsichtsratsmitglied Helios-Kliniken GmbH,
• Herr O. S., Betriebsratsvorsitzender des Klinikums Bad Berka, Thüringen, Rhön-Kliniken AG und
• Herr K. D., Betriebsratsvorsitzender Landesfachkrankenhaus Stadtroda, Asklepios GmbH
befragt.
Darüber hinaus wurden aber auch Wissenschaftler sowie Vertreter gesellschaftlich relevanter Interessensvertretungen, wie z. B.
• Herr Prof. Dr. K.-H. Boeßenecker, Leiter des Forschungsschwerpunkt Wohlfahrtsverbände/Sozialwirtschaft, Fachhochschule Düsseldorf,
• Herr W. Eike, AWO, Referent für Gesundheitshilfe und Rehabilitation/Senioren,
• Herr M. Edele, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Hamburg und
• Herr Dr. M. Müschenich, Medizinischer Direktor des Vereins zur Errichtung Evangelischer Krankenhäuser in Berlin
interviewt.
Dies zur Qualität der von ver.di nicht freigegebenen „Fallstudie: Privatisierungen von Krankenhäusern“ der skandinavischen Beratungsgesellschaft PLS Rambøll Management.
Die TAZ hat in ihrer Ausgabe vom 27. August 2008 folgendes zum Thema Zeitarbeit berichtet: „(…) Wie steht es mit der Tatsache, dass mittlerweile auch die SPD-nahe Arbeiterwohlfahrt (AWO) (…) eine Zeitarbeitsfirma gegründet hat, um die eigenen Tarife zu umgehen?
Professor Klaus Püschel, Rechtsmediziner des Universitätskrankenhauses Hamburg-Eppendorf, hatte 8.518 Verstorbene ab dem 60. Lebensjahr untersuchen lassen. Er hat u. a. festgestellt, dass nur rund die Hälfte der Verstorbenen zuvor Normalgewicht hatten, 15 Prozent untergewichtig waren und als besonders alarmierend ermittelte er die sozialen Umstände - mit hohem Lebensalter steigt auch das Risiko, einsam zu sterben - der älteren Menschen. Zugleich unterließ Prof. Püschel Schuldzuweisungen und bescheinigte Ärzten und Pflegern gute Arbeit.
Ärztekammer, Krankenhausgesellschaft, Hausärzteverband und Pflegegesellschaft kündigten an, die Ergebnisse von Herrn Prof. Püschel zum Anlass zu nehmen, um die Versorgung alter Menschen in Hamburg zu verbessern. Dass sich die Leistungserbringer in der Hansestadt dieses Ziel haben gesetzt, ist gut und richtig. Denn nur diese können vor Ort konkrete Maßnahmen umsetzen.
Die Bundespolitik unterstützt diesen Ansatz durch diverse gesundheitspolitische Maßnahmen, wie z. B.:
• dass die Finanzierung von steigenden Ausgaben aufgrund erhöhter Krankheitshäufigkeit der Versicherten (Morbiditätsrisiko) auf die Krankenkassen übergegangen ist (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz) oder
• dass die ambulanten Sachleistungen, das Pflegegeld sowie die stationären Leistungen in der Pflegestufe III angehoben wurden sowie • dass die Pflegeeinrichtungen jährlich unangemeldet durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) geprüft und diese Prüfberichte allgemein verständlicher Form veröffentlicht werden müssen (Pflegeweiterentwicklungsgesetz).
Seit dem 1. Juli 2009 erfolgen nun die MDK-Prüfungen nach einem neuen Prüfschema, welches sich aus insgesamt 82 Einzelbewertungen zusammensetzt. Pflegebedürftige Bewohnerinnen und Bewohner und ihre Angehörigen können sich gezielt zu den Themen „Pflege und medizinische Versorgung“, „Umgang mit demenzkranken Bewohnern“, „soziale Betreuung und Alltagsgestaltung“, „Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene“ und zu den Ergebnissen der Bewohnerbefragung informieren. Den Schwerpunkt bildet dabei der Bereich „Pflege und medizinische Versorgung“: Aus diesem Bereich werden 35 Qualitätskriterien abgebildet. Zusätzlich wird die Zufriedenheit der Bewohner in der Einrichtung separat in einer eigenen Note mit 18 Einzelkriterien dargestellt. Damit sichergestellt ist, dass der hohe Standard der transparenten und vergleichbaren Darstellung von Pflegequalität kontinuierlich weiterentwickelt wird, wird parallel zur Veröffentlichung der Pflegenoten eine wissenschaftliche Begleitung des Projektes organisiert. Dabei wird auch die Darstellung der Pflegequalität analysiert, um sie auf dieser Basis ggf. weiter zu optimieren.
Ich arbeite immer noch als Krankenhausarzt und bin daher mit der Versorgungssituation in Südniedersachsen gut vertraut. Darüber hinaus bin ich regelmäßig im Gespräch mit Ärztinnen und Ärzten, Pflegefachkräften, Heimbetreibern und Patientinnen sowie Patienten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. med. Hans Georg Faust, MdB