Hanna Steinmüller
Hanna Steinmüller
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Christian H. •

Sehr geehrte Frau Steinmüller, mich würde dringend interessieren, was Sie gegen die Demokratiefeindlichkeit der AFD unternehmen?

Ich bin schockiert, aber leider nicht überrascht, wie auf die Deportationspläne der AFD reagiert wird. Warum wir trotz nachgewiesener Verfassungs-und Demokratiefeindlichkeit kein AFD-Verbot angegangen?

Mit freundlichen Grüßen,
Christian H. und Familie

Hanna Steinmüller
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr H., liebe Familie H., 

 

vielen Dank für Ihre und Eure Frage. 

 

Für uns ist klar, dass die AfD eine reale Gefahr für unsere Demokratie und für die Menschen ist, die Ziel ihrer Hetze und Ausgrenzungspolitik sind. Auch, um das friedliche Zusammenleben in Europa zu schützen, müssen wir politisch, gesellschaftlich und mit allen Mitteln des Rechtsstaats gegen diese rechten Bestrebungen kämpfen. Wichtige Akteure der AfD verwenden völkisch-nationalistische oder antisemitische Verschwörungserzählungen, wie die des „großen Austausch“ oder eines „globalen jüdischen Finanztums“, andere pflegen Kontakte zu verurteilten rechtsextremen Straf- und Gewalttäter*innen.  

 

Wir teilen deshalb Ihre Sorgen und es ist gut, dass die Debatte um ein AfD-Verbot geführt wird. Nur so kann ein geeigneter Weg gefunden werden, ihren Rechtsextremismus zu bekämpfen. Grundsätzlich ist es dennoch ratsam, ein Verbotsverfahren erst gründlich zu prüfen, um verfassungsrechtlich auf der sicheren Seite zu stehen. Andernfalls könnte ein erfolgloses Verfahren die AfD weiter stärken und ihre Anhänger in ihrer Ideologie festigen.  

 
Für ein erfolgreiches Parteiverbots-Verfahren bedarf es nicht nur der eindeutigen Verfassungsfeindlichkeit einzelner Mitglieder der Partei. Vielmehr muss die Partei in Gänze diese Voraussetzung erfüllen. Die Einschätzungen als gesichert rechtsextrem der Landesämter für Verfassungsschutz über einzelne Landeverbände der AfD genügt dafür leider nicht. Es bedarf weiterhin Nachweise darüber, dass die AfD “darauf ausgeht”, also tatsächlich das Potential, die Mittel und Wege zur Verfügung hat, die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Die frühere Rechtsprechung erforderte dafür eine aktive und kämpferische, gewalttätige Vorgehensweise durch Mitglieder der Partei selbst. Diese kämpferische Vorgehensweise wird zwar nicht mehr im gleichen Maße gefordert. Ob hier aber beide Voraussetzungen, vor allem ausreichend aktive Bedrohungstätigkeit, für die gesamte Partei vorliegen, müsste eben zunächst abschließend geklärt werden. Eine nachrichtendienstliche Aufklärung, wie sie durch die Einstufungen der Verfassungsschutzämter möglich geworden ist, darf zu diesem Zweck nicht eingesetzt werden. Ein Verfahren gegen einzelne Landesverbände wäre eine weitere Möglichkeit. Auch hier besteht aber viel Klärungsbedarf, denn ob ein Verfahren nur gegen einen Teil einer Partei möglich ist, ist nicht abschließend geklärt.  

 

Auch für ein Verfahren zum Ausschluss der AfD von der Parteienfinanzierung besteht noch Prüfungsbedarf. Die Voraussetzung der Verfassungsfeindlichkeit ist in diesem Verfahren dieselben wie für ein Parteiverbotsverfahren. Unterschied ist nur, dass ein “darauf ausgerichtet” sein ausreicht. Zudem kann das letzte Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Partei “Die Heimat”, ehemals die NPD, so verstanden werden, dass nur eines der beiden Verfahren, Verbot ODER Finanzierungsausschluss, bei einer nachweislich verfassungsfeindlichen Partei erfolgreich durchgeführt werden kann. Welches Mittel gewählt wird, muss also ebenfalls umfassend geprüft werden. 

 

Natürlich müssen wir alle Maßnahmen und Möglichkeiten nutzen, dem Rechtsextremismus der AfD etwas entgegenzusetzen. Für welches Verfahren wir uns entscheiden, ist also nur eine Frage der angesprochenen umfassenden, juristischen Prüfung der verschiedenen Möglichkeiten. Außerdem nutzen wir andere Möglichkeiten. Es engagieren sich beispielsweise unsere Kolleg*innen in Sachsen für eine Überprüfung der Verfassungstreue von Abgeordneten, die nach Ende ihres Mandates wieder in den öffentlichen Dienst wechseln. Auch bei der Aufklärungsarbeit stehen wir vor großen Herausforderungen, die wir annehmen und bewältigen müssen. Besonders eine „Normalisierung“ der AfD müssen wir verhindern. Das bedeutet, dass keine demokratische Partei ihre Inhalte und ihre Sprache übernehmen darf. Zahlreiche Studien und Beispiele zeigen, dass dadurch nur das „Original“ gestärkt und so Rechtsextremismus salonfähig gemacht wird. 

 

Freundliche Grüße 

Team 

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