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Hanka Kliese
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Frage von Hans T. •

Frage an Hanka Kliese von Hans T. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrte Frau Kliese,

Sie versichterten mir in meiner letzten Frage, dass unser neues Polizeigesetz nicht so schlimm werden soll wie das in Bayern. Wie es sich mir jetzt darstellt, wird es noch viel schlimmer!

Wie ich es in der Presse lese, werden Unschuldige, also Personen, die nicht verurteilt wurden und auch nicht verdächtigt werden, eine Straftat begangen zu haben, zahlreiche Repressalien zu befürchten haben: Ihre Telefonate werden mitgehört und Kurznachrichten mitgelesen, ihnen werden „Fußfesseln“ angelegt, sie können zwölf Monate anlasslos kontrolliert werden usw. Halten Sie das mit den Grundsätzen eines Rechtsstaates für vereinbar?

Sind auch Sie dafür, das Presse-, Beicht- und Arztgeheimnis quasi auszuhebeln? Widerspricht das nicht der Sächsischen Verfassung?

Sollte man die Polizei wirklich mit Kriegswaffen wie Maschinengewehren und Handgranaten ausrüsten? Ist nicht die modernere Strategie die der Deeskalation?

Warum sollen die Bodycamaufnahmen nur für, aber nicht gegen die Polizisten verwendet werden?

Werden Sie dem Gesetz zustimmen? Ich sehe in ihm eigentlich nur die Handschrift der CDU, deren Ziel es zu sein scheint, ein stärker repressives Rechtssystem aufzubauen. Wo bleibt die Handschrift der SPD, die sich auch gern als Partei der Bürgerrechte gibt? Warum ist die SPD der Meinung, dass das neue Gesetz besser ist als der status quo?

Mit freundlichen Grüßen

H. T.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Torfstecher,

vielen Dank für Ihre erneute Anfrage zu der Polizeigesetznovelle, welche
am 10. April 2019 durch den Sächsischen Landtag verabschiedet wurde.

Klar ist, dass Sachsen eine handlungsfähige Polizei braucht, deren
Befugnisse klar geregelt sein müssen. Mit dem neuen Polizeigesetz hat
die Regierung die Befugnisse der Polizei und der kommunalen
Polizeibehörden aktuellen Erfordernissen angepasst. Es ist eines der
bedeutendsten Gesetzesvorhaben dieser Koalition und gleichzeitig eines
der umstrittensten. Als SPD ging es uns darum, die Sicherheitsaspekte
mit den Freiheitsaspekten zugleich in einem angemessenen Verhältnis zu
halten.

Ich finde, das ist uns gelungen.

Es gab verschiedene Gründe, welche eine Novellierung des Polizeigesetzes
erforderlich gemacht haben. Die Polizeigesetznovelle soll das neue
europäische Datenschutzrecht, konkret die Datenschutz-Richtlinie, in
sächsisches Landesrecht umsetzen. Außerdem muss das rechtliche
Instrumentarium für polizeiliche Gefahrenabwehr an gesellschaftliche und
technische Entwicklungen aber auch an veränderte Gefährdungslagen und
sich verändernde Kriminalität angepasst werden.

Das neue Polizeigesetz ermöglicht der Polizei einerseits, sich mit neuen
oder gewachsenen Kriminalitätsphänomenen angemessen zu befassen, um
diese Phänomene zu bekämpfen. Andererseits verzichtet es im Gegensatz zu
anderen Polizeigesetzen auf plakative, jedoch verfassungsrechtlich
fragwürdige Befugnisse wie die verdeckte Handy-Überwachung mittels
Staatstrojaner (QTKÜ), die Online-Durchsuchung oder einen sog.
Ewigkeits-Gewahrsam, wie ihn etwa der Freistaat Bayern eingeführt hat.

Als SPD wollen wir, dass die sächsische Polizei auch in Zukunft
handlungsfähig ist. Gleichzeitig soll die Polizei nur diejenigen
Eingriffsbefugnisse bekommen, die für eine effektive Aufgabenerfüllung
geeignet, erforderlich und in ihrem Grundrechtseingriff angemessen sind.
Die Polizei muss nicht alle technisch möglichen Befugnisse bekommen,
sondern die richtigen.

Auch auf Grund des zuvor gültigen Polizeigesetzes durfte die Polizei in
Grundrechte eingreifen. Das ist nicht neu, aber notwendig, damit die
Polizei ihrem Auftrag nachkommen kann, im alten wie im neuen Polizeigesetz.
Je tiefer eine Befugnis in die Grundrechte eingreift, desto höher müssen
auch die gesetzlichen Hürden sein. Deswegen haben viele der Befugnisse
einen Richtervorbehalt (Aufenthaltsanordnung oder Kontaktverbot n. §21
PVDG; den Gewahrsam nach §§22,23 PVDG oder TKÜ nach §§66-69 i.V.m. 73 PVDG).
Der Staat muss in begründeten Fällen in die Grundrechte seiner
Bürgerinnen und Bürger eingreifen dürfen. Aber dies muss mit möglichst
offenem Visier geschehen und gerichtlich überprüfbar sein.

Das macht den Rechtsstaat aus!

Deswegen sind für uns als SPD die Polizeikennzeichnungspflicht und die
Stärkung der Polizeilichen Beschwerdestelle mindestens genauso wichtige
Themen wie die Entscheidung über die einzelnen Polizeibefugnisse.
Leider kann in einer Koalition nicht jeder Wunsch umgesetzt werden. Wir
setzen uns weiter für eine anonymisierte Kennzeichnung ein, mit der
Möglichkeit, den konkreten Code zu wechseln.

Für mehr Transparenz wird die Aufwertung der Beschwerdestelle sorgen.
Sie wurde Anfang 2016 auf Betreiben der SPD-Fraktion im Sächsischen
Landtag hin überhaupt erst eingerichtet. Mit dem Polizeigesetz wird sie
zur unabhängigen Vertrauens- und Beschwerdestelle weiterentwickelt. Sie
bekommt eine gesetzliche Grundlage. Wir erleichtern es Polizisten, sich
dahin zu wenden. Sie wird unabhängig von Polizeistrukturen – im Landtag
wäre optimal – durch den Kompromiss wird sie nun in der Staatskanzlei
angesiedelt sein. Als SPD-Fraktion wollen wir auch eine wirksame
parlamentarische Kontrolle der Polizeiarbeit.

Es gab zahlreiche Anhörungen auf dem Weg zum neuen Polizeigesetz. Diese
waren wichtig, um den Gesetzentwurf durch Experten hinterfragen und auf
mögliche Fehler abklopfen zu lassen. Es gab zahlreiche Briefe von
Institutionen und Organisationen mit Änderungsvorschlägen oder
pauschaler Kritik.
Wir haben jede Kritik sehr genau geprüft und an vielen Stellen ebenfalls
Änderungsbedarf am Gesetzentwurf erkannt. So haben wir mehr Transparenz,
bessere Kontrolle und mehr Betroffenenrechte durchgesetzt. Zum Beispiel:

•    die Zentrale Vertrauens- und Beschwerdestelle
•    die Ausweitung der Kontrollrechte des Sächsischen
Datenschutzbeauftragten
•    die Erweiterung der Berichtspflichten an den Landtag.

So muss die Staatsregierung dem Landtag jährlich bspw. über
Aufenthaltsgebote und Kontaktverbote nach §21 Abs. 2 und 3 PVDG oder
über den Einsatz von Bodycam nach §57 Abs. 4 und 5 PVDG berichten.
Über den Entwurf hinaus wird es eine Evaluation von Aufenthaltsverbot
und Kontaktverbot (§ 21 Abs. 2 u. 3 PVDG); Bodycam (§ 57 Abs. 4 u. 5
PVDG); automatisierter Kennzeichenerkennung (§ 58 Abs. 5 PVDG) und
elektronischer Aufenthaltsüberwachung (§ 61 PVDG) geben.
Und wir stellen bei der neu eingeführten Bodycam (§ 57 PVDG) im Gesetz
klar, dass die Betroffenen ein Einsichtsrecht in die Aufnahmen haben.
Und es gibt noch viele andere Änderungen mehr.

Damit setzen wir auch die Punkte um, welche sich aus den beiden
Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2018 zu
Kfz-Kennzeichenkontrollen in den Polizeigesetzen von Bayern,
Baden-Württemberg und Hessen für Sachsen ergeben haben.
Wir haben uns selbstverständlich auch mit der Stellungnahme des
Sächsischen Datenschutzbeauftragten beschäftigt. Es gab Lob für die
Regelung zur Body-Cam und einen Formulierungshinweis zur Regelung über
Berufsgeheimnisträger. Das haben wir im Ausschuss geändert. Er hat sich
auch mit Punkten zu Kennzeichenerfassung und Videoüberwachung in Folge
des Bundesverfassungsgerichts-Entscheids auseinandergesetzt.

Im Ergebnis wurde der Gesetzentwurf der Staatsregierung durch den
Innenausschuss am 28. März auf Antrag von SPD und CDU in wesentlichen
Punkten geändert. Nicht zuletzt haben wir dadurch die
Verfassungskonformität des sächsischen Polizeirechts gewahrt.
Vor allem aber sind damit unsere Ziele für das Polizeigesetz erfüllt. Es
wird nicht nur modernisiert, sondern Freiheit und Sicherheit bleiben in
einem guten Verhältnis zueinander.

Dementsprechend habe ich der Gesetzesänderung zugestimmt.

Mit den besten Grüßen

Hanka Kliese