Frage an Halina Wawzyniak von Gerhard R. bezüglich Finanzen
Guten Tag,
zu
www.steuerzahler-schleswig-holstein.de/Nord-Kurier/4922b1887/index.html
"Befreite" Kirchen
Schleswig-Holstein muss handeln - Auszug
Wer den Prozess vor einem ordentlichen Gericht verliert, muss zusätzlich zu seinen Anwaltskosten auch die Gerichtsgebühren tragen. Das gilt nicht nur für Privatpersonen und Unternehmen, sondern auch für Behörden und staatliche Einrichtungen. Nur die Kirchen sind in Schleswig-Holstein davon befreit!
Dabei erhalten die evangelische Nordkirche und das katholische Bistum Hamburg im aktuellen Jahr schon 13,32 Mio. Euro aus dem Landeshaushalt. Diese Zuschüsse sind im Staatskirchenvertrag von 1957 geregelt. Auf den wird auch immer verwiesen, wenn es um die Gebührenbefreiung vor Gericht geht. Doch das stimmt nicht, hat der wissenschaftliche Dienst des Landtages auf Anfrage der Piraten-Fraktion festgestellt.
Nicht kündbar sind dagegen die Staatskirchenverträge des Landes mit den beiden großen Konfessionen. Grundlage ist der sogenannte "Reichsdeputationshauptschluss", der im Jahr 1803 (!) das Vermögen von Staat und Kirchen trennte. Der Bund der Steuerzahler hält es für höchste Zeit, die Beziehungen zwischen Staat und Kirche auf neue Beine zu stellen. Unkündbare Verträge und Zahlungen ohne konkret vereinbarte Gegenleistung gehören nicht in unsere Zeit.
Trifft es zu, dass die meisten sozialen Einrichtungen der Kirchen mit Steuergeldern oder Krankenkassenbeiträgen finanziert werden?
Haben die Kirchen und die meisten Abgeordneten kein Interesse am
Ablöseauftrag des Grundgesetzes und blockieren sie diesen Auftrag mit überhöhten Ablöseforderungen?
Wie hoch ist in Deutschland die Zahl der Kinder unterhalb der Armutsgrenze?
Wie beurteilen Sie die Forderung nach mehr Geld für diese Kinder durch
Wegfall von Steuergeldgeschenken?
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth
Sehr geehrter Herr Reth,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich kann nicht für die Kirchen und andere Abgeordnete sprechen. Die Bundestagfraktion DIE LINKE ist jedoch in der von Ihnen angesprochenen Angelegenheit als einzige Fraktion im Bundestag aktiv geworden und hat schon in der letzten Legislaturperiode einen konkreten Gesetzentwurf zur Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften vorgelegt ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/087/1708791.pdf ). Dieser wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt. In der folgenden Link finden Sie den gesamten Beratungsverlauf zum Gesetzentwurf, inkl. der Plenarprotokolle: http://dipbt.bundestag.de/dip21.web/searchProcedures/simple_search.do Dort finden Sie auch die Stellungnahmen und Positionen der anderen Fraktionen zur Thematik aus der letzten Legislaturperiode. In der aktuellen Legislaturperiode hat meine Fraktion versucht, das Thema mit einem Antrag erneut aufzugreifen und die Diskussion über die Ablösung der Staatsleistungen wieder voranzutreiben: wir fordern darin die Einrichtung einer Kommission zur Evaluierung der Staatsleistungen ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/048/1804842.pdf ). Aber auch hier zeigte die erste Lesung im Bundestag, dass von Seiten der anderen Fraktionen wenig Interesse besteht ( http://dipbt.bundestag.de/dip21.web/searchProcedures/simple_search.do ).
Die Debatten in den Ausschüssen und Plenum in der aktuellen wie vergangenen Legislaturperiode zeigen, dass der Verfassungsauftrag durchaus verstanden wurde – dieser ist ja unmissverständlich – leider bisher ohne die nötigen Konsequenzen. Die Linksfraktion fordert dennoch diesen Verfassungsauftrag endlich umzusetzen und ein Grundsätzegesetz zur Ablösung durch die Länder zu schaffen. Grundsätzlich streben wir einen dazu einen einvernehmlichen Dialog darüber mit den Kirchen an. Im Übrigen hat die evangelische Kirche schon vor fast fünf Jahren Gesprächsbereitschaft angekündigt. Die Bundesregierung sieht aber wie in der Vergangenheit keinen Handlungsbedarf.
Unabhängig von den Staatsleistungen werden wie bei anderen Träger sozialer Einrichtungen auch die Kosten größtenteils vom Staat übernommen. Das Problem ist hier, dass immer mehr Wohlfahrtsorganisationen wie auch die Kirchen, aber auch immer mehr kommerzielle Dienstleister die öffentliche Daseinsvorsorge wie Krankenhäuser, Kindergärten oder Altenpflege übernehmen und damit entsprechende Zuwendungen erhalten. Daraus ergibt sich, dass immer mehr Wohlfahrtverbände oder kirchliche Organisationen auch mehr staatliche Zuschüsse für die Bereitstellung sozialer Infrastruktur erhalten. Das ist eine durchaus bedenkliche Entwicklung: Die öffentliche Daseinsvorsorge gehört nun mal in die öffentliche Hand und sollte auch von ihr gestemmt werden. Zudem gilt bspw. in kirchlichen Einrichtungen wie konfessionellen Kindergärten ein besonderes Arbeitsrecht. Hier wird der christlichen Religion eindeutig ein Vorrang eingeräumt – aber gerade in einer multireligiösen Gesellschaft darf es keine staatliche Privilegierung bestimmter Religionsgemeinschaften geben. Dazu gehören auch die gegenwärtige steuerliche Privilegierung einzelner Kirchengemeinschaften, Steuererleichterungen oder aktuelle Gebührenbefreiungen. Laut Studien des Kinderhilfswerkes lebte 2014 2,5 Millionen Kinder unter der Armutsgrenze. Für 2016 rechnet das Kinderhilfswerk sogar mit 3 Millionen. Das sind viel zu viele Kinder. Wir brauchen eine gerechtere Steuerpolitik, die diejenigen, die viel haben, stärker in der Verantwortung nimmt. Die sozialen Leistungen müssen Armut verhindern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Unter anderem müssen in Deutschland die Regelsätze für Kinder bei Hartz IV erhöht werden. Perspektivisch gehört Hartz IV abgeschafft. Nicht diskriminierende soziale Infrastrukturen sind aufzubauen. Darüber hinaus ist eine Kindergrundsicherung als eigenständige Leistung zu entwickeln.
Mit freundlichen Grüßen
Halina Wawzyniak