Frage an Halina Wawzyniak von Marc E. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Wawzyniak,
ich bedanke mich für Ihre ausführliche Antwort und möchte gerne Folgendes nachfragen bzw. anmerken:
Ich möchte gerne wissen, inwieweit dem in-dubio-pro-reo-Grundsatz noch Rechnung getragen werden kann, wenn z.B. für eine Verurteilung für eine sexuelle Straftat schon das Gefühl des Opfers reichen soll, bedroht worden zu sein. Also ein rein subjektives, nicht objektivierbares Merkmal (Gesetzesentwurf der Bundesregierung), welches nicht von außen erkennbar ist. Der Gesetzesentwurf stellt zwar auf den "erkennbaren Willen" ab, aber wann der vorliegt wird auch nicht definiert. Reicht es aus, wenn die Person während des Beischlafes schon das Gesicht verzieht oder muss es nicht dann schon eher eine richtige Bekundung (also ein wahrnehmbares "nein") sein.
Natürlich besteht auch bei anderen Strafdelikten das Potential von Falschbeschuldigungen. Aber dies sehe ich gerade als grund, Gesetzesverschärfungen im Strafrecht in allen Bereichen zu unterbinden. Gerade weil dadurch das Potential von Falschbeschuldigungen steigt.
Ich bin der Meinung mit Verschärfungen bei Strafgesetzen oder der Schaffung neuer Strafgesetze sollte man mit Bedacht vorgehen. Dies wird anscheinend immer weiter aus den Augen verloren, wie bereits bei den vorgelagerten Terrorstrafgesetzen der Bundesregierung zu erkennen war oder bei der Schaffung eines separierten Strafparagraphen Zwangsheirat (der vollkommen überflüssig war, da Zwangsheirat auch davor schon strafbar war). Diese Bedachtheit vermisse ich bei der Behandlung von Strafparagraphen, die die Sexualdelikte umfassen.
mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Eichhardt,
eigentlich dachte ich, mit der bereits gegebenen Antwort auf Ihre Frage geantwortet zu haben. Ich zitiere noch einmal aus dem Gesetzentwurf der LINKEN: "Der unverhandelbare und im Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Grundsatz `im Zweifel für den Angeklagten` (sogenannter In-dubio-pro-reo-Grundsatz) bringt es mit sich, dass die vorgeschlagene Gesetzesänderung in sog. Zweierkonstellationen nicht zwingend zu mehr Verurteilungen führen wird. Dies muss ehrlichkeitshalber dazu gesagt werden." Ergänzend verwies ich auf die Strafandrohung für Falschbeschuldigungen.
In ihrer erneuten Fragestellung sitzen sie m.E. einem Irrtum auf. Sie meinen nämlich, es komme auf "das Gefühl des Opfers" an. Genau das ist falsch. Im Gesetzentwurf der LINKEN, ebenso im Gesetzentwurf der Grünen und offensichtlich nunmehr auch nach dem Willen der großen Koalition, kommt es auf den "erkennbaren Willen" der Person an. Damit ist eine Willenskundgabe zwingend erforderlich, das reine Gefühl oder die innere Einstellung der anderen Person sind gerade nicht ausreichend. Im Gesetzentwurf der LINKEN wird in der Begründung auch ausgeführt, wie der erkennbare Wille unter anderem zum Ausdruck gebracht werden kann. Dies meint sowohl ein ausgesprochenes "Nein", eine Abwehrbewegung, ein Versuch der Situation zu entkommen oder ein "sich steif machen".
Mit freundlichen Grüßen
Halina Wawzyniak