Frage an Halina Wawzyniak von Dietrich K. bezüglich Recht
Guten Tag Frau Wawzyniak,
welchen Standpunkt vertreten Sie zu den nachfolgend aufgeführten Themen:
1. Richterstaat statt Rechtsstaat
Prof. Bernd Rüthers beanstandet in der FAZ vom 15.4.2002: "Die BRD
wird vom gesetzgebenden Rechtsstaat, den das Grundgesetz gebietet, zum – oft
unberechenbaren – Richterstaat." Sie wären verpflichtet, sich Gedanken darüber zumachen, wie die "Reise in den Richterstaat" (Prof. Rüthers) aufgehalten bzw. beendet werden kann.
2. Richter(innen) in Kommunalparlamenten und Kreistagen - richterliche Unabhängigkeit
3. Rechtsbeugung (§ 339 StGB)
Die Professoren Bemmann, Seebode und Spendel werfen dem BGH in der Zeitschrift für Rechtspolitik 1997, 307f, vor, diese Strafvorschrift gesetzwidrig auszulegen und anzuwenden. Diese gesetzwidrige Auslegung und Anwendung, die den Gesetzeswortlaut missachtet, führt dazu, dass die der Rechtsprechung auferlegte Selbstkontrolle praktisch außer Kraft gesetzt wird. Auch für die Rechtsprechung gilt: Unkontrollierte Macht korrumpiert. Es sollte auch die minder schwere Rechtsbeugung strafbar sein.
4. Dienstaufsicht (§ 26 Abs. 2 DRiG)
Durchsetzung der praktisch nicht ausgeübten Dienstaufsicht im
Kernbereich der richterlichen Tätigkeit. Von den Gerichtspräsidenten und den
Justizministerien wird gesetzwidrig behauptet, wegen der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) dürfe die Dienstaufsicht auf Beschwerde einer Partei hin ein Urteil nicht bewerten. Dies ist falsch (BGH-Richter a.D. Dr. Herbert Arndt in Deutsche Richterzeitung 1974, 251). Zu Recht beklagt der ehemalige Richter am Oberlandesgericht Köln, RA Dr. Egon Schneider, in der Zeitschrift für die Anwaltspraxis 2005, 49: "Eine Crux unseres Rechtswesens ist das völlige Versagen der Dienstaufsicht gegenüber Richtern. Welche Rechtsverletzungen Richter auch immer begehen mögen, ihnen droht kein Tadel."
Quelle: http://www.justizgeschaedigte.de
Mit bestem Gruß
Dietrich Klug
Sehr geehrter Fragesteller,
danke für Ihre Fragen, die ich Ihnen gern beantworte:
1. Richterstaat statt Rechtsstaat
Prof. Bernd Rüthers beanstandet in der FAZ vom 15.4.2002: "Die BRD wird vom gesetzgebenden Rechtsstaat, den das Grundgesetz gebietet, zum - oft unberechenbaren - Richterstaat." Sie wären verpflichtet, sich Gedanken darüber zumachen, wie die "Reise in den Richterstaat" (Prof. Rüthers) aufgehalten bzw. beendet werden kann.
Antwort:
Diese Einschätzung teile ich so nicht. Nach wie vor ist es der Gesetzgeber, der die Gesetze macht. Diese werden nach wie vor von Richter/innen angewendet. Soweit Gesetze verfassungswidrig sind und gegen diese vorgegangen wird entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Das ist aber noch keine "Reise in den Richterstaat". Dass Gerichte Gesetze auslegen und im Einzelfall entscheiden ist aus meiner Sicht nicht bedenklich.
2. Richter(innen) in Kommunalparlamenten und Kreistagen - richterliche Unabhängigkeit
Antwort:
Selbstverständlich ist es völlig korrekt, dass Richter/innen auch in Kommunalparlamenten und Kreistagen vertreten sind, soweit sie dorthin gewählt wurden. Eine Einschränkung des passiven Wahlrechts halte ich für nicht angemessen. Im Übrigen gibt es in allen Kommunalvertretungen aber auch Befangenheitsregelungen, die verhindern sollen, dass Betroffene in eigenen Angelegenheiten entscheiden.
3. Rechtsbeugung (§ 339 StGB)
Die Professoren Bemmann, Seebode und Spendel werfen dem BGH in der Zeitschrift für Rechtspolitik 1997, 307f, vor, diese Strafvorschrift gesetzwidrig auszulegen und anzuwenden. Diese gesetzwidrige Auslegung und Anwendung, die den Gesetzeswortlaut missachtet, führt dazu, dass die der Rechtsprechung auferlegte Selbstkontrolle praktisch außer Kraft gesetzt wird. Auch für die Rechtsprechung gilt: Unkontrollierte Macht korrumpiert. Es sollte auch die minder schwere Rechtsbeugung strafbar sein.
Antwort:
Im Hinblick auf den konkreten Fall der Rechtsbeugung haben wir jetzt nicht nachrechercherchiert, da wir viel Arbeit auf dem Tisch liegen haben. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass Debatten über Urteile ganz normal sind um im Übrigen der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht wohl offen gestanden hätte.
4. Dienstaufsicht (§ 26 Abs. 2 DRiG)
Durchsetzung der praktisch nicht ausgeübten Dienstaufsicht im Kernbereich der richterlichen Tätigkeit. Von den Gerichtspräsidenten und den Justizministerien wird gesetzwidrig behauptet, wegen der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) dürfe die Dienstaufsicht auf Beschwerde einer Partei hin ein Urteil nicht bewerten. Dies ist falsch (BGH-Richter a.D. Dr. Herbert Arndt in Deutsche Richterzeitung 1974, 251). Zu Recht beklagt der ehemalige Richter am Oberlandesgericht Köln, RA Dr. Egon Schneider, in der Zeitschrift für die Anwaltspraxis 2005, 49: "Eine Crux unseres Rechtswesens ist das völlige Versagen der Dienstaufsicht gegenüber Richtern. Welche Rechtsverletzungen Richter auch immer begehen mögen, ihnen droht kein Tadel."
Antwort:
Hier möchte ich Sie auf den von meinem Kollegen Petermann in der vergangenen Legislaturperiode eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz aufmerksam machen, den sie unter folgendem Link nachlesen können: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/117/1711703.pdf
Darin wurde eine umfassende Reform der Justizstrukturen vorgeschlagen, deren Kernelemente zwingende Vorgaben für und der Ausbau der Befugnisse von Richterwahlausschüssen im Bund und in den Ländern zur Stärkung der demokratischen Legitimation, die Überführung der Staatsanwaltschaften aus der Exekutive in die Justiz, die Abschaffung ämterbasierender justizinterner Hierarchien sowie die Regelung binnendemokratischer Strukturen der Selbstverwaltung sind. Dazu sind sowohl Änderungen des Grundgesetzes wie auch eine Vielzahl von einzelgesetzlichen Regelungen sowohl auf Bundes- wie auf Länderebene erforderlich.
Mit freundlichen Grüßen
Halina Wawzyniak
Quelle: http://www.justizgeschaedigte.de
Mit bestem Gruß