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Halina Wawzyniak
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Frage von Andreas A. •

Frage an Halina Wawzyniak von Andreas A. bezüglich Innere Sicherheit

"Brennpunkt" Görlitzer Park in Berlin- Kreuzberg

Sehr geehrte Frau Wawzyniak,

wie stehen Sie dazu, das "Brennpunkt- Problem" des Görlitzer Parks (dem dort stattfindenden offenen aber illegalen Cannabis- Handel) aufgrund der Möglichkeit des "öffentlichen Interesses" (laut Vorschlag der Bezirksbürgermeisterin Frau Monika Herrmann) durch legalen Verkauf "dieser Ware" in Coffee- Shops im Bezirk zu lösen?

Zusatzfrage: Ist dieser Vorschlag Ihrer Meinung nach sinnvoll - oder haben Sie einen besseren Vorschlag – oder sind Sie anderer Ansicht?

Anmerkung:
Immerhin verhält es sich de facto so, dass der Görlitzer Park nur ein Areal des "Gesamten" darstellt:
Einem bundesweiten zweistelligen Cannabis- Milliarden- Euro- Markt.

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Aerts

P.s.: Diese Frage stelle ich (soweit möglich) an Parteien und Kandidaten des Bezirks Friedrichshain- Kreuzberg, die für die Bundestagswahl 2013 kandidieren.
Ich bedanke mich für die Beantwortung im Vorhinein.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Aerts,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich etwas umfänglicher beantworten möchte, weil es nach meiner Auffassung keine einfache Lösung für das Problem geben wird.

Das Anliegen, durch die Einrichtung eines Coffeeshops die Situation zu entspannen, ist mir sympathisch. Ich halte es allerdings für kaum durchsetzbar und letztlich wäre ein Coffeeshopp, sofern es überhaupt gelänge, keine ausreichende Lösung - weder für den Görli noch für Berlin als Ganzes.

Frau Herrmann hat insofern Recht als dass nach §3 BtMG das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine solche Genehmigung aufgrund eines öffentlichen Interesses erteilen kann. Aber:

1. In Deutschland haben seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2005 ca. 160 Personen (keinerlei Institutionen) eine entsprechende Ausnahmegenehmigung gestellt. Ganz überwiegend aufgrund von Erkrankungen und dem Wunsch, Cannabis als Medizin nutzen zu dürfen. Bei den AntragsstellerInnen handelt es sich ausschließlich um Personen mit schweren Krankheiten (Spastiken, Hepatitis C, HIV etc.). Trotzdem haben weniger als die Hälfte (ca. 60 Personen) der Antragssteller bisher überhaupt eine Genehmigung zum Erwerb von Cannabis in der Apotheke bekommen. Bei den Fällen handelt es sich also ausschließlich um Anträge und Genehmigungen zur medizinischen Verwendung von Cannabis. Das ist aber gar nicht das Anliegen der Bezirksbürgermeisterin, weil es ja nicht darum geht, Cannabis als Medizin an einige Wenige abzugeben (also eine Art Drogenkonsumraum) sondern eine generelle legale Verkaufsmöglichkeit zu schaffen - ohne dass die Konsumenten ein Rezept benötigen. Der Antrag beim BfArM durch Fhain-Xberg müsste also den Handel außerhalb einer Apotheke und den Konsum außerhalb eines Drogenkonsumraums ermöglichen und die Abgabe an Nicht-Kranke. Warum das Institut für ARZNEIMITTEL das tun sollte, erscheint mir bisher (!) nicht plausibel.

2. Es sind immense Kosten zu erwarten, die der Bezirk aufbringen müsste. Neben einer geeigneten Immobilie, die gestellt bzw. gebaut werden müsste, kommen erhebliche Sicherheitsvorkehrungen hinzu. Denn auch im Falle einer Ausnahmegenehmigung durch das BfArM wäre Cannabis nicht legalisiert. Neben den Kosten zur Einrichtung der Verkaufsstelle müssten die Kosten für den Ankauf bzw. den Anbau von Cannabis getragen werden, den Transport, die Lagerung und die Sicherung der Verkaufsstelle.

3. Im Hinblick auf die internationalen Verträge gilt im Bezug auf Cannabis außerdem nach Art. 28 i. V. m. Artikel 23 des UN-Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe, dass eine staatliche Stelle zum Ankauf der Ernte (Cannabis-Agentur) eingerichtet werden muss. Eine solche Stelle gibt es in Deutschland nicht.

Dies sind lediglich die grundsätzlichen Probleme bezogen auf die Antragstellung beim BfArM. Im Falle einer dennoch erteilten Ausnahmegenehmigung und einer finanziellen Absicherung des Vorhabens, wird das gleichwohl den AnwohnerInnen am Görli wohl nicht helfen. Eine einzige Verkaufsstelle für den Bezirk, Berlin und den Bund an diesem Ort – also die Schaffung eines Wallfahrtsortes für Cannabis-Konsumenten, ist sicherlich keine Entspannung für die Leute dort.

Die Bezirksbürgermeisterin und die Grünen wollen das Problem des Cannabis-Schwarzmarktes und dessen Folgeerscheinungen im Rahmen bestehender Gesetze lösen. Genau das wird nicht funktionieren. Es müssen die Gesetze geändert werden, also Cannabis legalisiert werden. Die Legalisierung und damit die Entkriminalisierung der Konsumierenden würde einen kontrollierten Anbau und Handel ermöglichen und gleichzeitig dem Staat überhaupt erst die Möglichkeit geben z.B. den Markt zu kontrollieren, Jugendliche zu schützen, die Qualität von Cannabis zu kontrollieren und damit negative Begleiterscheinungen von Handel und Konsum wirksam zu kontrollieren und zu sanktionieren und angemessene Prävention zu leisten.

Abschließend kann ich also sagen: ich trete für die Legalisierung von Cannabis ein und denke, dass die Einrichtung von Coffeeshops infolge einer Legalisierung durch eine Gesetzesänderung der sinnvollere Weg wäre. (Eine einfache Mehrheit im Bundestag würde dazu übrigens ausreichen.) Aber trotz der oben beschriebenen Schwierigkeiten kann ich natürlich im Grundsatz unterstützen, dass Frau Herrmann zumindest versucht, Bewegung in die Debatte zu bringen.

Mit freundlichen Grüßen
Halina Wawzyniak