Frage an Halina Wawzyniak von Lutz L. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Wawzyniak,
ich habe mit Aufmerksamkeit die Beratungen zum (gemeinsamen) Sorgerecht für Nichtverheiratete verfolgt. Die Vorschläge der Linken gingen über den mehrheitsfähigen Kompromiss hinaus. Das begrüsse ich. Mir ist jedoch aufgefallen, dass in der Debatte die realen Zustände in der Justiz (auch im Familienrecht) von keiner Seite angesprochen wurden. Viele Abgeordnete sind Juristen und sollten Einblick haben. Klar ist, dass im wahren Leben zum Teil gegensätzliche Interessen und tragische Familiengeschichten zu verhandeln und schwierige Entscheidungen zu treffen sind. Begriffe wie Kindeswohl sind schwer greifbar und einem formalen Zugang entzogen. Sorgfältiges Ermitteln, Abwägen, Vermitteln und zugleich zügiges Handeln ist gefragt, sicher nicht immer einfach. Um überhaupt eine Basis für angemessene Entscheidungen zu haben, bedarf es meiner Meinung nach zunächst der Sicherstellung gleicher Rechte der Betroffenen, des Rechtswegs und Transparenz.
Selbst dann kommt es zu unbefriedigenden Ergebnissen. Die Betroffenen haben jedoch die Möglichkeit sich zu reflektieren, den weiteren Rechtsweg zu erwägen oder andere Wege für die Zukunft zu finden. Nach meinen Erfahrungen wird dies leider durch die Arbeitsweise vieler Familienrichter / Gerichte ausgeschlossen. Vorbestimmte Verfahrensläufe, inhaltsleere Protokolle, Einbinden der Anwälte in ein informelles Drehbuch sind scheinbar üblich. Alle spielen mit und verdienen, insbesondere der Intrigante profitiert von diesen Gepflogenheiten. Es wird ja hinter verschlossenen Türen verhandelt. Als Beteiligter fühlt man sich betrogen, beschmutzt und ohnmächtig. Wer sich wehrt, wird mit formalen Tricks und Ignoranz abgewehrt. Diese Szenarien werden nicht nur von Betroffenen berichtet. Anwälte geben den Rat, sich abzufinden und im Sinne der Kinder das Beste daraus zu machen. Ähnliche Szenarien werden auch von Strafrechtlern berichtet. Ist das ein Thema im Bundestag?
Mit freundlichen Grüssen
Lutz Lippke
Sehr geehrter Herr Lippke,
vielen Dank für ihre ausführliche Darstellung des Sachverhalts.
Bei der von Ihnen angesprochenen Debatte zum Sorgerecht ging es um die Umsetzung europäischer Vorgaben in deutsches Recht. Dabei spielte die aktuelle Verfasstheit der Justiz keine Rolle.
Tatsächlich ist uns die Ausstattung der Justiz und faire Verfahren wichtige Anliegen. Deshalb haben wir uns für mehr Richter/innen-Stellen eingesetzt, uns gegen die Verschlechterung der Prozesskostenhilfe stark gemacht und fordern seit langem eine Fortbildung von Richterinnen und Richtern, die in den von Ihnen angesprochenen sensiblen Bereichen tätig sind.
Darüber hinaus muss ich Ihnen aber mitteilen, dass solche Entscheidungen immer in formalen Verfahren ablaufen müssen - also nur begrenzt Veränderungen möglich sind.
Mit freundlichen Grüßen
Halina Wawzyniak