Frage an Halina Wawzyniak von Christian R. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Wawzyniak,
ich wende mich an Sie in Ihrer Funktion als stellvertrende Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Recht.
Nach Aussage von Experten handelt es sich bei dem so genannten Libor Skandal um den größten Finanzbetrug der Geschichte.
Dennoch scheint die internationale Presse und auch die deutsche Presse diesen Skandal weitgehend zu ignorieren, eine Berichterstattung zu dem Skandal scheint hinsichtlich ihres Informationsgehalts, ihrer Häufigkeit und Platzierung dem Ausmass nicht gerecht zu werden.
Auch wird der Skandal in der Politik nicht weiter beachtet, auf bundestag.de habe ich lediglich zwei Anfragen eines Abgeordneten an die Bundesregierung gefunden ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/103/1710305.pdf ).
Daher meine Fragen an Sie:
Stimmen Sie der Meinung von Experten überein, dass es sich hierbei um den größten Finanzskandal aller Zeiten handelt oder handeln könnte?
Haben Sie eine Erklärung dafür, warum das Thema in der deutschen Presse und Politik ein nachrangiges Interesse erzeugt?
Welche Pläne hat der Gesetzgeber, unkontrollierter Bankenwillkür entgegen zu wirken?
Vielen Dank für Ihre Antworten
Christian Ross
Sehr geehrter Herr Ross,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
1.)
Aufgrund des Umfangs der Zinsmanipulationen – es ist nicht nur der LIBOR, sondern auch der EURIBOR betroffen – kann man sicher von einem der größten Fälle von Finanzbetrug sprechen. Ob es der größte Finanzskandal handeln könnte, bleibt zunächst abzuwarten, denn zum einen gab es bereits in der Vergangenheit eine Reihe von Finanzskandalen mit Schäden im zweistelligen Milliardenbereich. Zum anderen stehen die Ermittlungen der Behörden noch am Anfang, insbesondere die Auswertung der Unterlagen ist noch nicht abgeschlossen. Während eine Manipulation des LIBOR über den Zeitraum von 2005 bis 2009 bereits bewiesen ist, ist eine erfolgreiche Manipulation des EURIBORS noch nicht bestätigt.
2.)
Es wird in den deutschen Wirtschaftszeitungen mehrmals wöchentlich darüber berichtet. Da keine deutsche Bank an den Manipulationen federführend beteiligt war (bei der Deutschen Bank haben sich einige Mitarbeiter 5 Hierarchiestufen unterhalb des Vorstands beteiligt, der davon – im Gegensatz zur Barclays Bank - nichts wusste), ist der Skandal aus Sicht der Presse vielleicht nicht so schlagzeilenträchtig.
Der Finanz- und Steuerexperte der Bundestagsfraktion DIE LINKE, Richard Pitterle hatte bereits am 24. Juli 2012 eine Presseerklärung herausgegeben. Er beobachtet kontinuierlich die Entwicklung und nimmt dazu Stellung.
Das sehr verhaltene politische Interesse liegt vermutlich u.a. auch daran, dass - wie bereits dargelegt - keine deutsche Bank federführend beteiligt ist sowie LIBOR und EURIBOR, also Referenzzinssätze, ein „sperrigeres“ (Finanz)Thema sind, mit dem sich Politiker nicht ohne weiteres profilieren können und dessen Bedeutung seitens der Politik nicht richtig eingeordnet werden kann.
3.)
In Großbritannien, den USA und der Eurozone wird derzeit an Vorschlägen gearbeitet. Die britische Finanzmarktaufsicht (Financial Services Authority, FSA) hatte bereits letzte Woche Vorschläge vorgelegt. Im November will eine Arbeitsgruppe der G20 ihre Empfehlungen vorstellen. Dagegen will die Bundesregierung zunächst abwarten und sie entwickelt derzeit keine gesetzgeberische Initiative. Die deutsche Bankaufsicht (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin) hat Sonderprüfungen bei Banken veranlasst.
Mit freundlichen Grüßen
Halina Wawzyniak