Frage an Halina Wawzyniak von Matthias B. bezüglich Staat und Verwaltung
Sehr geehrte Frau Wawzyniak,
wie sehen Sie und Ihre Partei die Rechtmäßigkeit der GEZ bzw. der Haushaltsgebühr? Streben Sie eine Besserung der aktuellen Situation an oder sind Sie der Ansicht, dass die Einforderung einer Gebühr nur aufgrund der theoretischen Möglichkeit der Inanspruchnahme gerechtfertigt ist?
Meine Ansicht in Kürze:
1. Der Bildungsauftrag wird nur durch sehr wenige der zahllosen Spartenkanäle erfüllt.
2. Die Grundversorgung wäre durch zwei Sender (z.B. ARD und ein Regionalsender) problemlos zu erreichen.
3. Ein Konkurrieren um Einschaltquoten und teure Ereignisse/Filme mit den Privaten widerspricht der Natur und ursprünglichen Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen.
4. Selbiges gilt für Werbung für und auf jenen Sendern.
5. Durch Verschlüsselung der über den Grundbedarf (s.o.) hinausgehenden staatlichen Sender wäre eine tatsächliche Bezahlung für gewollte Inhalte möglich. Das System wäre somit demokratisch und beruhte nicht auf Staatswillkür.
6. Die aktuellen Gebühren erscheinen nur jenen niedrig, die a) die Leistungen in Anspruch nehmen und b) ein Einkommen haben. Als Student, z.B., sind knapp €20 im Monat äquivalent zu einer Woche Essen und bei Zutreffen von (a) eine nicht tragbare Geldverschwendung.
Ich persönlich kann nicht nachvollziehen, wie es sein kann, dass jedes deutsche Gericht die Einforderung einer Gebühr für nicht in Anspruch genommene Leistungen ODER die Inanspruchnahme bei freier Zugänglichkeit ohne Eingehen und Einwilligung in einen rechtsgültigen Vertrag als ungesetzmäßig ansehen würde und der Staat dennoch dieses schon fast kriminelle Vorgehen seit Jahrzehnten betreibt.
Da in Berlin gerade die Wahlen bevorstehen, interessiert mich Ihre Ansicht und die Ihrer Partei dazu natürlich besonders.
Mit freundlichen Grüßen,
M. Busch
Sehr geehrter Herr Busch,
Tatsächlich wird mit der von den Ministerpräsidenten der Länder beabsichtigten Einführung einer Haushaltsabgabe eine gesetzliche Vermutung geschaffen, dass heutzutage in jedem Haushalt und in jeder Betriebsstätte ein Rundfunkempfangsgerät steht. Dies zeitigt erhebliche negative Folgewirkungen für all jene, die kein Empfangsgerät bereithalten, für Nur-PC- oder Nur-Radionutzer, für Personen mit Behinderungen sowie für zahlreiche Unternehmen und Mittelständler.
Darüber hinaus ist die geplante Haushaltsabgabe mit erheblichen datenschutzrechtlichen Kollateralschäden gegenüber dem bestehenden gerätebezogenen Modell verbunden. Denn künftig wird es großer Kontrollanstrengungen bedürfen, gerichtsfest festzustellen, wo ein Haushalt oder eine Betriebsstätte beginnt und endet. Bildet eine Wohngemeinschaft einen Haushalt oder mehrere Haushalte? Sind Untermieter oder volljährige Kinder mit eigenem Raum in der elterlichen Wohnung gebührenpflichtig? Und generell: Wer alles gehört zu einem Haushalt?
Bereits der Umstand, dass zukünftig sämtliche Personen Wohnungen zugeordnet werden müssen, weist auf eine enorme Ausweitung in der Erhebung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten hin. Zudem wird das Innehaben einer Wohnung, einer Betriebsstätte oder eines gebührenpflichtigen Kraftfahrzeugs anzeigepflichtig, so dass alle volljährigen Personen potentiell gebührenpflichtig sind und deren bei den Landesrundfunkanstalten “unverzüglich schriftlich” zu machenden Angaben bei Ein- und Umzug, bei An- und Vermietung, bei An- und Abmeldung zu verifizieren sind.
Ferner werden auch künftig Wohnungen in einem erheblichen Ausmaße zu kontrollieren sein, weil sich Unstimmigkeiten und Kontrollnotwendigkeiten schon allein aus divergierenden Datensätzen ergeben. Denn die von der GEZ weiterhin zu beziehenden Daten der Einwohnermeldeämter sind teils inhaltlich nicht ausreichend, teils für die Zuordnung von Personen zu Wohnungen nicht brauchbar. Hinzu kommen Datenerhebung und Kontrolle bei Gewerbetreibenden, Selbständigen und Unternehmern, die neben den eigentlichen Verbrauchern ebenfalls belastet werden.
Die Datenverarbeitung wird also beim Übergang zur Haushaltsgebühr keineswegs weniger, das Gebührenerhebungsverfahren nicht vereinfacht. Weder wird die Legitimationsschwäche des jetzigen Systems behoben, noch mehr Akzeptanz für die Gebühr in der Bevölkerung geschaffen.
Aus diesen Gründen lehnt die Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag die geplante Änderung des Rundfunkstaatsvertrags ab. Eine nutzerfreundliche Fortentwicklung des gerätebezogenen Modells ist – unter Eliminierung solcher Gebührensachverhalte, die der heutigen Lebenswirklichkeit nicht mehr entsprechen – in der Lage, die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Digitalzeitalter zu gewährleisten. Rundfunkgebühr soll auch künftig nur der zahlen, der Rundfunk nutzt. Die Grundgebühr für Radios und neuartige Empfangsgeräte ist zu erhalten. Rundfunknutzung über Handys und PCs kann wie bei einem Online-Zeitungsabo mit einer zugeteilten PIN-Nummer freigeschaltet werden. Ferner sind die Anforderungen an den Datenschutz sind strikt auszulegen, die Schnüffeleien und Datensammelwut von GEZ und Gebührenbeauftragten abzuschaffen und die Tätigkeit der GEZ auf das reine An- und Abmelden von Rundfunkgeräten zu beschränken.
Wir würden es begrüßen, wenn in Politik und Gesellschaft eine breite Debatte über die Sinnhaftigkeit der Entscheidung der Ministerpräsidenten geführt wird, um auf diese Weise auf die noch ausstehende abschließende Meinungsbildung in den Landesparlamenten Einfluss zu nehmen. Da in Rundfunkfragen nicht der Bundestag zuständig ist, sondern die Länderparlamente, sollten Sie Ihre Einwände auch gegenüber den Abgeordneten der Landtage bzw. des Berliner Abgeordnetenhauses zum Ausdruck bringen.
Mit freundlichen Grüßen
Halina Wawzyniak