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Frage von Detlef Dr. H. •

Frage an Hakki Keskin von Detlef Dr. H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Professor Heskin,

heute war im Rundfunk zu vernehmen, dass der Botschafter Georgiens in der Bundesrepublik die alleinige Schuld für den Krieg im Kaukasus bei Russland sieht. Auch die baltischen Staaten, Polen und die Ukraine bezeichnen die Russische Föderation als Aggressor. In der Waffenstillstandsvereinbarung hat Georgien internationale Verhandlungen zum Status von Südossetien und Abchasien abgelehnt. Zudem besteht doch wohl mehrheitlich die Auffassung, dass der georgische Präsident ohne Not den Kaukasuskrieg am Vorabend der Eröffnung der Olympischen Spiele angezettelt hat und auch georgische Truppen Gräueltaten in Südossetien begangen haben.
Ist unter diesen Umständen auch nur ansatzweise ein Aufnahme Georgiens in die NATO vertretbar, wobei hier nicht die generelle Rolle des Militärbündnisses diskutiert werden soll?

Mit besten Wünschen für Ihr parlamentarisches Wirken
Dr. Detlef Haase

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Dr. Haase,

vielen Dank für Ihre Frage, die den aktuellen Krieg im Südkaukasus anspricht. Einseitige Schuldzuweisungen helfen in der gegenwärtigen Situation gewiss niemandem, am allerwenigsten den Leidtragenden dieses Krieges. Im Fall des Südossetienkrieges (was für Abchasien genauso zutrifft) haben beide Seiten, sowohl Georgien wie auch Russland in der Vergangenheit Fehler begangen und m. E. ebenso beide gegen das Völkerrecht verstoßen.
Sicherlich ist die militärische Großoffensive Georgiens letztlich ausschlaggebend gewesen, dass sich der Südossetienkonflikt zu einem offenen Krieg ausgeweitet hat. Die völkerrechtlich anerkannte Staatsgrenze zwischen Georgien und Russland wurde jedoch durch den massiven russischen Truppeneinmarsch und die über Südossetien hinausgehenden Militäraktivitäten verletzt. Deshalb kann ich Russland auch nicht von dem Vorwurf freisprechen, ebenfalls zur Konflikteskalation beigetragen zu haben. Georgien hat hingegen kein russisches Staatsterritorium angegriffen, Südossetien wie Abchasien gehören völkerrechtlich weiterhin zu Georgien. Die dortigen separatistischen Regime erlangten Anfang der 90er Jahre ihre De-facto-Unabhängigkeit im Rahmen einer einseitigen, gewaltsamen Abspaltung, die gegen das Völkerrecht verstösst und mit ethnischen Säuberungen einherging. Zudem haben beide Seiten das völkerrechtliche Gewaltverbot nicht eingehalten. Dies gilt sowohl für die Raketenangriffe Georgiens, die die südossetische Provinzhauptstadt Zchinwali binnen kurzer Zeit in Schutt und Asche legten und tausende Tote unter der Zivilbevölkerung forderten, aber auch für die Bombenangriffe Russlands auf Orte in Georgien, die unter der Zivilbevölkerung Angst und Schrecken verbreiteten und ebenso zahllose Opfer forderten. Die Angriffe Russlands auf georgische Städte wie Gori oder Poti, die weit außerhalb der Konfliktzone liegen (letzteres gar an der Schwarzmeerküste) können nach meiner Auffassung jedenfalls nicht mit der unmittelbaren Verteidigung Südossetiens begründet werden.
Ich bin der festen Überzeugung, dass sich Konflikte dieser Art letztlich überhaupt nicht militärisch lösen lassen. Die OSZE ist m. E. der hierfür am besten geeignete Konfliktmoderator. Eine Ausdehnung der NATO durch eventuelle Aufnahme neuer Mitglieder wie Georgien oder gar die Ukraine muss nahezu zwangsläufig Ängste in Moskau auslösen, "eingekreist" zu werden. Ich lehne weitere NATO-Beitritte grundsätzlich wie in diesem konkreten Fall ab. Die NATO wie die EU sollten dringend zu einem partnerschaftlichen Verhältnis mit Rußland finden und sich auf vertrauensbildende Maßnahmen wie beiderseitige, radikale Abrüstungsschritte verständigen. Umgekehrt muss Russland die territoriale Integrität und Souveränität der unabhängigen Republiken, die im Zuge des Zerfalls der ehemaligen Sowjetunion entstanden sind, ohne Wenn und Aber respektieren. Und dies gilt in globalem Maßstab selbstverständlich auch für die USA, die insbesondere auch in der Südkaukasusregion eigene geostrategische Interessen verfolgen, wie bspw. die Kontrolle der Förderquellen und Transportrouten fossiler Energieträger. In der Hoffnung, Ihre Frage damit beantwortet zu haben, verbleibe ich

Mit freundlichen Grüssen

Ihr Hakki Keskin