Frage an Hakki Keskin von Werner C. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Professor Dr. Keskin,
ihre Antwort auf eine Frage von Herrn Schlinske lässt mich nachdenken. Sie sagen dort, ich zitiere:
"Gut- und Bestverdienende brauchen das bedingungslose Grundeinkommen schlichtweg nicht und Niedrigverdienern und Erwerbslosen ist mir einer repressionsfreien, sozial gerechten Grundsicherung mindestens genauso gut geholfen."
Haben Sie mal versucht in eine wirklich politische Richtung weiter zu denken?
Die Gut- und Besserverdienenden erwirtschaften ihr Einkommen eben auf Grund von Leistungen, die dieses Volk in seiner Gesamtheit erbracht hat.
Ein Beispiel: die alleinerziehende Krankenschwester, die gerade so mit ihrem Einkommen ihre Kinder durchbringt, ist Grundlage für den Immobilienmakler, der unter Anderem wegen der guten Krankenhausversorgung seine Immobilien verkauft.
Sind Sie mit mir der Meinung, dass es Aufgabe der Politik ist, das gemeinsame in einem Volk heraus zu arbeiten und zu fördern?
Diese Gelegenheit verschafft in positiver Weise das Grundeinkommen.
Ja, wir sitzen in dem selben Boot und könnten dies mit politischem Willen und einer wirklichen Vision auch deutlich machen.
Wollen Politiker das? Wollen Sie das? Wenn Ja, wie?
Unser ungerechtes Steuerlabyrinth durch Klarheit zu ersetzen, ist sicher Aufgabe der Politiker.
Ich bezweifele bei all der Korruption allerdings den klaren Reformwillen.
Sind Sie der Überzeugung, dass "soziale Marktwirtschaft" ein angemessener Terminus für unser System ist?
Wie sieht Ihr Vorschlag für mehr Gerechtigkeit in unserem Volk aus?
Ich schreibe als Sozialarbeiter, der sich in 38 Jahren sozialer Arbeit mit den "Ausgemusterten" dieser sozialen Marktwirtschaft anschaut, wie auf dem Rücken dieser in den meisten Fällen zu ehrlichen Menschen die Geldmacher, oder besser Geldmaler in diesem Land sich ihre Nullen malen.
Mit demokratisch freundlichem Gruß
Werner Copray
PS: ich hätte meinen Beitrag lieber unter das Thema "Gerechtigkeit" gestellt.
Leider kann man das Thema hier nicht wählen?!
Sehr geehrter Herr Copray,
vielen Dank für Ihre Frage.
Gerade weil die Gut-und Bestverdienenden ein überdurchschnittliches Einkommen erzielen, könnten Sie auch einen höheren finanziellen Beitrag für mehr soziale Gerechtigkeit leisten. In der politischen Praxis haben wir allerdings insbesondere unter Rot-grün erlebt, dass Spitzenverdiener mehrmals durch großzügige Steuergeschenke von ihrer Beteiligung an der Finanzierung des Sozialstaats immer stärker entbunden wurden. Vor diesem Hintergrund ist die gegenwärtige Marktwirtschaft eindeutig ziemlich unsozial, wobei auch eine sozialere Variante korrekterweise Kapitalismus genannt werden müsste.
Kommt im Fall eines neoliberalen "Umbaus" des Sozialstaats (der genaugenommen stets ein "Abbau" ist) eine schlechte Konjunktur hinzu, ist die Finanzierungsgrundlage schnell gefährdet. Weiterer Sozialabbau im Sinn einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung ist die logische Schlussfolgerung, die neoliberale Politiker dann gern ziehen. Aus diesem Grund befürwortet Die LINKE. einen politischen Richtungswechsel. Die Vermögenden müssen wieder stärker über das Steuersystem an der Finanzierung elementarer Staatsaufgaben im sozialen Bereich beteiligt werden. Hierzu gibt es detaillierte Vorschläge, ich will nur einige Stichworte liefern: generelle Erhöhung des Spitzensteuersatzes, stärkere fiskalische Veranlagung von Kapitaleinkünften, Wiedereinführung der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen, Vermögenssteuer, Eindämmung von Steuerflucht durch Strafverschärfungen, gesetzliche Obergrenzen für Managergehälter u.v.a.m. Die Politik muss dafür sorgen, dass der Staat ordnungspolitisch wieder stärker in die Wirtschaft eingreift, um sozial ungerechte Marktergebnisse zu korrigieren. Dies gilt insbesondere auch auf europäischer Ebene, denn es ist nicht so wie uns manche Neoliberale gern glauben ließen, dass Deutschland in der EU kein Gewicht hätte.
Das bedingungslose Grundeinkommen ändert an der Widersprüchlichkeit einer kapitalistischen Marktwirtschaft inhaltlich überhaupt nichts. Wie ich schon sagte: Vermögende benötigen es nicht und für einkommensschwächere Gruppen und Erwerbslose ist eine sozial gerechte und repressionsfreie Grundsicherung, die explizit das Solidaritätsprinzip betont, indem sie die Besserverdienenden finanziell stärker heranzieht, eine klare praktikable Alternative, die bessere politische Realisierungschancen hat.
Mit freundlichen Grüssen
Prof. Hakki Keskin