Frage an Hakki Keskin von Udo S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Prof. Dr. Hakki Keskin,
seit Jahren beschäftigen mich Fragen, die unser aller Zukunft (wirtschaftlich wie sozial) betreffen. Vielleicht können Sie mir bei der Beantwortung einiger dieser Fragen behilflich sein.
Wir befinden uns derzeit in einer wirtschaftlichen Aufschwungphase, die aber nicht alle Bevölkerungsschichten erreicht, was haben diese dann bei der nächsten Rezession zu erwarten?
Seit Jahrzehnten haben wir eine stetig steigende Sockelarbeitslosigkeit. Muss nicht einmal grundsätzlich anerkannt werden, dass Vollbeschäftigung nicht mehr möglich ist, gerade, weil der technische Fortschritt und die Produktivität immer schneller wachsen und somit immer mehr Arbeitskräfte freigesetzt werden können?
Seit Jahren gibt es Initiativen, die ein bedingungsloses Grundeinkommen vorschlagen, um die derzeitigen und zukünftigen gesellschaftlichen Probleme zu lösen. In wieweit halten Sie die dort gemachten Vorschläge zur Finanzierung und Einführung für nachdenkenswert bzw. durchführbar.
Vielen Dank für Ihre Antwort
MfG
Sehr geehrter Herr Schlinske,
vielen Dank für Ihre Frage. Ihre Analyse und Schlussfolgerungen sind zutreffend. Aufgrund des Produktivitätszuwachses und technologischen Fortschritts wird künftig noch weniger menschliche Arbeitskraft benötigt werden. Dies ist einerseits erfreulich, da schwere körperliche und gesundheitsschädigende Arbeit abnimmt, andererseits besteht ein gravierendes Problem, wenn Erwerbsarbeit die einzige Quelle der Einkommenserzielung darstellt.
Dies führt bereits schon jetzt dazu, dass trotz der gegenwärtigen Aufschwungphase die Sockelarbeitslosigkeit kaum abgebaut wird. Dennoch lässt sich das Problem nicht mit einer einzigen Maßnahme wie dem bedingungslosen Grundeinkommen lösen. Wir stehen vor der Herausforderung eines generellen Wandels unserer Arbeitswelt, der differenzierte und sozial verträgliche Antworten erfordert. Hierzu gehören:
- eine stufenweise Verkürzung der Arbeitszeit auf mittelfristig 30 Stunden möglichst bei vollem Lohn-und Personalausgleich,
- existenzsichernde Mindestlöhne,
- Anerkennung von humanen Dienstleistungen im familiären Bereich in den Erwerbsbiografien und in der Sozialversicherung,
- armutsfeste Renten,
- "Sabbatjahre", die zur Weiterbildung oder Arbeitsplatzrotation genutzt werden könnten,
- repressionsfreie Grundsicherung/bedingungsloses Grundeinkommen
Die Frage eines bedingungslosen Grundeinkommens als Alternative zu einer bedarfsgerechten, repressionsfreien Grundsicherung wird in der LINKEN -wie in anderen Parteien auch- diskutiert, eine Fraktionsmehrheit befürwortet derzeit eine sozial gerechte Grundsicherung. Mein Problem mit dem bedingungslosen Grundeinkommen ist seine Finanzierung, es muss schließlich von den Erwerbstätigen erwirtschaftet und zu einem Großteil abgeführt werden. Konkret gibt es bspw. den Vorschlag, wonach oberhalb einer bestimmten Kappungsgrenze ein Erwerbstätiger immerhin 50 Prozent seines Einkommens abführen muss, um sagen wir 1000 EURO Grundeinkommen zu erhalten. Weil sich dies für die Betroffenen kaum "rechnet", wird dieses Konzept womöglich als ungerecht empfunden werden. Profitieren würden von dem Konzept dagegen einkommensschwache Schichten, die auf diesem Wege ein höheres Einkommen bekämen. Für diesen Personenkreis wäre allerdings die soziale Grundsicherung mindestens genauso gut geeignet, wenn nicht sogar besser.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Hakki Keskin