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Frage von Marissa K. •

Frage an Hakki Keskin von Marissa K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Prof. Dr. Keskin,

Auf einem Informationsblatt des DGB-Bundesvorstands (Stand: 30. August 2005) bin ich auf einen Satz gestoßen, der mich verwirrt und die Position der Linken bezüglich des Tarifsystems verschleiern:
"Wir wollen die Tarifautonomie durch eine leichtere Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Tarifverträge stärken"
Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Kann die Tarifautonomie durch einen staatlichen Eingriff gestärkt werden?
Ich wäre hocherfreut, wenn Sie mir diese Position erläutern könnten!
Ganz nebenbei, welche Konzepte zur Wirtschaftsbelebung bevorzugen Sie?

Vielen Dank für die Antwort,

M. Klan

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Antwort von
DIE LINKE

Liebe Marissa Klan,

die Allgemeinverbindlichkeitserklärung dient dazu, Regelungen für Beschäftigte - die ja bereits im Rahmen der Tarifautonomie vom entsprechenden Arbeitgeberverband und der zuständigen Gewerkschaft per Tarifvertrag ausgehandelt wurden - für eine gesamte Branche gelten zu lassen.

Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung bedarf jedoch mehrerer Voraussetzungen: der Tarifausschuss (3 Arbeitgeber-, 3 Arbeitnehmervertreter) muss zustimmen und die bereits tarifgebundenen Arbeitgeber müssen 50% oder mehr der Arbeitnehmer in dieser Branche beschäftigen UND es muss ein öffentliches Interesse geben, für die gesamte Branche einheitliche Regelungen zu vereinbaren.

Ein staatlicher Eingriff dies also deswegen nicht, da nur unter Beteiligung des Tarifausschusses diese Erklärung möglich ist.

Wenn über die Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit gesprochen wird, gibt es dort verschiedene Hintergründe. ERSTENS gibt den Wunsch nach der grundsätzlichen Möglichkeit eines einseitigen Ministerentscheides ohne Beteiligung des Tarifausschusses. ZWEITENS geht es um eine Ausweitung des Entsendegesetzes auf weitere Branchen, wie z.B. Zeitarbeit, Hotel- und Gaststättengewerbe etc. Aufgrund des Entsendegesetzes kann eine Partei (also Arbeitgeber oder Arbeitnehmer) den Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit stellen. Der Minister für Arbeit und Soziales kann dann per Rechtsverordnung diesem Antrag nachkommen. Die Tarifvertragsparteien können dazu schriftlich Stellung nehmen.

Die Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit widerspricht aus unserer Sicht nicht der Tarifautonomie. Wenn es eine Allgemeinverbindlichkeit geben soll, liegt immer ein bereits von den Tarifvertragsparteien verhandelter Tarifvertrag vor. Durch die Erklärung wird lediglich verhindert, dass Arbeitgeber aus dem Arbeitgeberverband austreten, damit sie den Tarifvertrag nicht anwenden brauchen. Außerdem schützt die Erklärung vor der so genannten "Schmutzkonkurrenz", die die Löhne immer weiter in den Keller drückt. Bei einheitlichen Bedingungen in einer Branche kann keiner im Wettbewerb den Mitbewerber durch billigere Arbeitskräfte unterbieten.

Dies alles ersetzt aber noch nicht unsere Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn!!! Denn die Voraussetzungen für eine Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages sind mittlerweile in den meisten Branchen gar nicht mehr gegeben! Vor allem in den Branchen, die besonders unter billigen Löhnen leiden, wäre so eine Allgemeinverbindlichkeit nicht möglich.
Deswegen hat unsere Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn, der bei 8
Euro beginnt, weiterhin oberste Priorität.

Weitere Informationen dazu und auch zu unseren Vorschlägen zur Belebung der Binnennachfrage findest du auf folgenden Internetseiten: www.werner-dreibus.de , www.linksfraktion.de

Es grüßt dich

Werner Dreibus, MdB

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Anmerkung der Redaktion
Diese Antwort wurde in Absprache mit Prof. Hakki Keskin von Werner Dreibus beantwortet.