Frage an Gustav Herzog von Volker U. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht
Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
warum haben Sie gegen die Aufnahme von 5000 besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge am 4.3.2020 gestimmt? Erbitte dazu Ihre begründete Antwort. Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Ultes
Sehr geehrter Herr Ultes,
vielen Dank für Ihre aktuelle und sehr wichtige Frage, denn ich habe NICHT gegen die Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen, sondern gegen den konkreten Antrag von Bündnis 90/Die Grünen gestimmt. Warum? Ganz kurz gefasst: Weil der Antrag einen deutschen Alleingang in dieser Situation bedeuten würde, wohingegen die SPD gemeinsam mit anderen europäischen Ländern konzertiert und abgestimmt agieren will.
Deshalb habe ich meiner Abstimmung im Bundestag auch die nachfolgende, deutlich ausführlichere Erklärung beigefügt:
„Die Zustände in den Aufnahmeeinrichtungen auf den griechischen Inseln sind unbestritten katastrophal und untragbar.
Wir brauchen so schnell wie möglich eine Lösung für die Menschen in Griechenland. Wir müssen dabei darauf achten, dass wir einen Schritt in Richtung einer europäischen Lösung gehen. Wir arbeiten derzeit mit voller Kraft an einer Lösung, an der sich nicht alleine Deutsch-land, sondern wenigstens ein paar andere europäische Staaten beteiligen, von denen zum Teil auch schon Zusagen für eine Aufnahme vorliegen. Wir erwarten von Bundesinnenminister Seehofer, heute beim Innenministerrat in Brüssel nachdrücklich für eine „Koalition der Vernunft“ zu werben und konkrete Maßnahmen zur gemeinsamen Aufnahme von besonders Schutzbedürftigen auf den Weg zu bringen. Ein deutscher Alleingang kann das Problem nicht lösen.
Ich bin für die Aufnahme von Geflüchteten im Rahmen einer europäischen Koalition der Vernunft. Inzwischen hat sich mit Frankreich, Portugal, Finnland und anderen bereits eine nennenswerte Gruppe von Staaten zu einer gemeinsamen Aufnahme bereit erklärt. Ich erwarte, dass die deutsche Bundesregierung jetzt zusammen mit diesen Staaten die Aufnahme dringend in die Wege leitet. Das Engagement unserer aufnahmebereiten Bundesländer, Städte und Gemeinden begrüße ich außerordentlich. Es ist wichtig zu wissen, dass es die Bereitschaft gibt, Schutzsuchende zügig aufnehmen zu können. Ich stehe auch hinter der Initiative des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius, der sich als einer der ersten für die Aufnahme minderjähriger Geflüchteter stark gemacht hat. Für diese Gruppe müssen wir Sorge tragen, dass sie zudem auch im Rahmen der Familienzusammenführung nach den Rege-lungen der Dublin III-Verordnung schnell und unbürokratisch zu ihren Angehörigen in Deutschland reisen können.
Ebenso wichtig ist mir, dass wir schnell eine dauerhafte Verbesserung der Verhältnisse in den griechischen Hot Spots erreichen. Ein Weg könnte sein, dem UNHCR die operative Verantwortung zur Leitung der Flüchtlingszentren zu übertragen. Für eine grundsätzliche Lösung brauchen wir eine Neuausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik und des gemeinsamen europäischen Asylsystems. Wir müssen weg vom Prinzip der Zuständigkeit des Ersteinreise-staates. Wir brauchen eine gerechte und solidarische Verteilung geflüchteter Menschen auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Nur so schaffen wir dauerhaft eine Entlastung der Staaten an den EU-Außengrenzen und somit auch insbesondere Griechenlands. Daran arbeiten wir auf EU-Ebene mit Hochdruck.
Ein erster Schritt in Griechenland könnte die Entwicklung eines Pilotmodells für ein gemein-sam betriebenes europäisches Asylzentrum auf den griechischen Inseln sein.
Auf jeden Fall dürfen wir weder die Menschen in Griechenland noch die griechische Regierung mit diesen Herausforderungen alleine lassen. Die Europäische Union ist eine Wertegemeinschaft. Mit unserem gemeinsamen Handeln zur Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland machen wir einen ersten und notwendigen humanitären Schritt. Unser Ziel bleibt es, dass sich am Ende alle europäischen Mitgliedstaaten in diese Solidarität einbringen.
Jetzt gilt es, alle Anstrengungen auf eine europäische Lösung, an der nicht alle Länder teil-nehmen müssen zu konzentrieren. Nur so kann umfassend den Minderjährigen und den be-sonders Schutzbedürftigen geholfen werden. Eine Zustimmung zum Antrag der Grünen würde dies nicht erreichen.
Dabei sehen wir auch, dass die Kämpfe in Idlib die humanitäre Lage in Syrien weiter verschärfen und erneut viele Menschen zur Flucht Richtung türkische Grenze zwingen. Europa und die internationale Gemeinschaft muss darauf schnell reagieren und bereit sein, weitere humanitäre Hilfe für die Menschen in Idlib und die Geflüchteten in der Türkei zu leisten.
Im Vertrauen darauf, dass die Bundesregierung diese Verhandlungen mit allem Nachdruck verfolgt, lehne ich den vorliegenden Antrag ab.“
Mit freundlichen Grüßen
Gustav Herzog