Frage an Gunther Krichbaum von Ralf K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Krichbaum,
Ihre gestrigen Äusserungen in der "Berliner Phoenix Runde" nötigen mich, Ihnen hierzu einige Fragen zu stellen:
1. Aus welchem Grund schossen Sie in Ihrem Schlusswort thematische "Nebelkerzen" ab (Energiekrise, Arbeitsmarkt etc.), wenn es doch um das Legitimationsproblem des EU-Vertragsprozesses ging?
Ihre Darstellung, die Bevölkerung interessiere sich allein für diese Alltagsprobleme, soll doch nur die Aufmerksamkeit von den negativen Folgen ablenken, die eine Ratifizierung des Lissabon-Vertrages mit sich brächte.
Das kann man natürlich desinformierten Sat.1-Zuschauern und BILD-Zeitungslesern verkaufen, hat mit wahrer Aufklärung der Bevölkerung allerdings etwa so viel zu tun wie die berühmte Kuh mit dem Klavierspiel.
2. Sehen Sie Ihre Aufgabe als Parlamentarier nicht auch darin, die Bevölkerung umfassend über anstehende Gesetzgebungsverfahren zu informieren?
Und wenn das so ist, warum hat es dann
3. bis zur (von manchen Parlamentariern wie z.B. Herrn Leinen (EP) kritisierten) Entscheidung des Herrn Bundespräsidenten, die Unterzeichnung dieses Machwerkes bis zur BVG-Entscheidung auszusetzen, gedauert, um so etwas Ähnliches wie eine Diskussion hierüber in Gang zu setzen?
Vor dem dankenswerten "NO" der Iren machte die deutsche Presse- und Fernsehlandschaft doch den Eindruck, in der EU-Frage (verzeihen Sie diesen historisch belasteten Begriff) "gleichgeschaltet" zu sein. Kritik an diesem Vertragswerk kam bis vor 2 Wochen doch so gut wie nicht vor.
Und das lag, wie die Professoren Schachtschneider und von Arnim belegen, bestimmt nicht an der Perfektion der dort getroffenen Vereinbarungen.
Mit demokratischem Gruß
Ralf Kulikowsky
Sehr geehrter Herr Kulikowsky,
Vielen Dank für Ihre Fragen.
Mit meinem Schlusswort wollte die Notwendigkeit einer vertieften europäischen Zusammenarbeit verdeutlichen. Die großen Probleme unserer Zeit, zu der die steigenden Energiepreise zweifelsohne gehören, können nicht länger von den Nationalstaaten bewältigt werden. Für ein solches stärker gemeinsam handelndes Europa brauchen wir aber ein Regelwerk, dass den institutionellen Rahmen der Zusammenarbeit vorgibt. Hierfür ist meiner festen Überzeugung nach der Vertrag von Lissabon in weitaus besserem Ausmaß geeignet, als die heutige Vertragsgrundlage, der Vertrag von Nizza.
Ihrer Auffassung, die deutschen Medien seien "gleichgeschaltet" muss ich entschieden widersprechen. Sowohl nach dem Gipfeltreffen im Juni 2007, auf dem sich die Staats- und Regierungschefs auf die Grundzüge einer neuen vertraglichen Grundlage einigten als auch anlässlich der endgültigen Vertragsunterzeichnung in Lissabon und der Ratifizierung des Vertrages durch Bundestag und Bundesrat, haben die deutschen Medien sehr intensiv über den Inhalt des Vertrages berichtet. Über die Verfassungsbeschwerden konnte zu dem damaligen Zeitpunkt selbstverständlich noch nicht berichtet werden, weil sie erst nach der Ratifizierung eingereicht werden konnten.
Mit freundlichen Grüßen
Gunther Krichbaum