Frage an Gunther Krichbaum von Oliver J. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Krichbaum,
in der heutigen FAZ nennen namhafte Ökonomen in einen offenem Brief glaubhaft die Gefahren einer EU-Bankenunion. Als wirtschaftswissenschaftlich ausgebildeter Mitbürger sehe ich die in letzter Zeit vorgenommenen Maßnahmen der Politik zunehmend kritisch. Die Verfasser malen ein Szenario an die Wand, welches m.E. nicht realitätsfern ist.
Welche konkrete Schritte unternehmen Sie, sowie die CDU um diese Krise zu bewältigen und das Thema "EURO" wieder zu einem Erfolgsmodell werden zu lassen ?
Freue mich, bald wieder von Ihnen konkretes zu hören.
Grüße
Oliver Jung
Sehr geehrter Herr Jung,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Die Sorgen vieler Menschen in Deutschland um die Stabilität des Euro und die Bewahrung unseres Wohlstandes kann ich sehr gut nachvollziehen. Sie waren in den letzten Wochen und Monaten auch immer wieder Thema vieler Diskussionen und Gespräche in unserer Region.
Für mich ist klar, dass die aktuelle Staatsschuldenkrise nicht entstanden wäre, wenn wir zu ihrem Beginn schon die Instrumente gehabt hätten, die wir in den letzten zwei Jahren im Zeitraffer geschaffen haben. Bei der Einführung des Euro wurde es versäumt, die Gemeinschaftswährung auch durch eine gemeinsame Wirtschafts- und Haushaltspolitik zu flankieren. Darauf hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Ende Juni bei ihrer Regierungserklärung sehr deutlich hingewiesen. Die Währungsunion wurde begründet, ohne dass die EU zugleich auch eine Politische Union wurde. Dies war damals politisch nicht durchsetzbar. Der schließlich verabschiedete Stabilitäts- und Wachstumspakt war für dieses Versäumnis kein vollwertiger Ersatz, denn die in ihm vorgesehenen Sanktionen gegen Haushaltssünder konnten durch politische Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs verhindert werden. Leider spielte auch Deutschland hierbei eine unrühmliche Rolle. Bundeskanzler Schröder und der französische Präsident Chirac weichten 2004 gemeinsam den Pakt auf, als Sanktionen gegen ihre Länder drohten. Insgesamt hat die EU-Kommission bislang über 60 Verstöße gegen den Pakt festgestellt, die aber nicht in einem einzigen Fall geahndet wurden!
Es zeigte und zeigt sich immer wieder, dass es bislang keinerlei Möglichkeiten in der Währungsunion gibt, durch Eingriffe in nationales Handeln die Einhaltung der selbstgesetzten Maßstäbe durchzusetzen. Daher ist es wichtig, dass mit dem Fiskalvertrag, der ebenfalls am Freitag zur Abstimmung stand, die Vorschriften zur zulässigen Neuverschuldung weiter verschärft und die Sanktionen politisch nicht mehr aufgehalten werden können. Dieser Aspekt des Fiskalvertrages wird leider in der Öffentlichkeit viel zu oft übersehen, stellt aber die Bedingung dafür dar, dass das Vertrauen der Marktteilnehmer in den Willen der Euro-Staaten, ihre Haushalte wieder auf eine solide Basis zu stellen, zurückkehrt.
Es war ein großer politischer Erfolg für Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass es ihr gelang, ein Junktim zwischen ESM und Fiskalpakt herzustellen: Nur jene Staaten, die den Fiskalpakt ratifiziert haben sind berechtigt, Hilfsgelder aus dem ESM zu erhalten. Dies ist ein sehr wichtiges Zeichen, dass es der Europäischen Union tatsächlich Ernst ist mit ihrem Willen, die nationalen Haushalte zu sanieren, die Neuverschuldung zu begrenzen und so das Vertrauen der Finanzmärkte zurückzugewinnen. Mit seinen automatischen Sanktionen, seiner Verpflichtung zum Abbau der bestehenden Staatsverschuldung und der vorgesehenen Schuldenbremse für die Neuverschuldung, die in jedem Land verfassungsrechtlich verankert wer-den muss, bekennt sich Europa ganz klar zu einem Ende der immer weitergehenden Verschuldung, die zu Lasten der nachfolgenden Generationen geht.
Ob mit ESM und Fiskalpakt die dauerhafte Stabilisierung des Euro gelingt, kann niemand mit absoluter Wahrscheinlichkeit prognostizieren. Wirtschaftswissenschaften sind keine Naturwissenschaft, wo oft eindeutige und endgültige Antworten möglich sind. Daher nehme ich die Wortmeldung der von Ihnen zitierten Wissenschaftler Ernst. In einer Abwägung, die nicht allein wirtschaftswissenschaftlich, sondern auch politisch vorgenommen werden muss bin ich aber davon überzeugt, dass die Politik der Bundesregierung die Voraussetzung dafür bietet, dass Europa wieder solide wirtschaftet und dass spekulative Angriffe gegen den Euro und einzelne Euro-Staaten abgewehrt werden können. Diese Ziele lohnen alle Anstrengungen. Gerade für Deutschland wären die wirtschaftlichen und politischen Folgen eines Scheiterns unabsehbar. Ein Ende des Euro wäre nicht nur eine Gefahr für unseren Export. Ein Ende des Euro wäre zudem ein kaum mehr gutzumachender Rückschlag für die europäische Einigung. Wenn wir aber in einer globalisierten Welt unsere mühsam aufgebauten Errungen-schaften der letzten Jahrzehnte wie Frieden, Freiheit, Wohlstand, Rechtstaatlichkeit, Demokratie und soziale Sicherheit bewahren wollen, brauchen wir mehr und nicht weniger Europa.
Mit freundlichen Grüßen
Gunther Krichbaum