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Gülistan Yüksel
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Frage von Willi S. •

Gibt es Bestrebungen Ihrer Fraktion, die Ungleichbehandlung von Studium und berufl. Bildung (Kosten um die 10000€ für Meister- schule incl. Prüfung) abzuschaffen? Falls nein, warum nicht?

Auf Ihrer FB-Seite werben Sie in einem Beitrag vom 1.8.2022 für die berufliche Ausbildung als Alternative zu einem Studium. In diesem Zusammenhang stellte ich Ihnen in einem Kommentar folgende Frage: Ist es Klientelpolitik der SPD oder steckt ein tieferer Sinn dahinter, daß man zwar gebührenfrei studieren kann, aber für die Meisterschule incl. Meisterprüfung knapp 10.000 Euronen aufwenden muß. Eine Partei, die "Gerechtigkeit" angeblich ganz groß schreibt, müßte doch diese tatsächliche Ungerechtigkeit schnellstmöglich beseitigen.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Frage.

In Deutschland ist auch ein Studium nicht gebührenfrei. Während die klassischen Studiengebühren an staatlichen Hochschulen und Universitäten mittlerweile abgeschafft sind, ist immer noch der Semesterbeitrag zu zahlen, der sich aus Beiträgen zum ASTA, Studierendenwerk, Semesterticket und Verwaltungskosten zusammensetzt. Er beträgt durchschnittlich um die 300 Euro und ist zweimal im Jahr, jeweils für das Sommer- und Wintersemester, fällig. Zu diesen studiumsbezogenen Kosten kommen für die Studierenden Lebenshaltungskosten sowie weitere Ausgaben, zum Beispiel für Bücher, Materialien, etc., hinzu. Dabei ist anzumerken, dass Studierende für ihr Studium – anders als Auszubildende für ihre Berufsausbildung – kein Monatsgehalt bekommen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Dieses Geld muss neben dem Studium erworben werden.

Als Unterstützung der Studierenden und zur Erhöhung der Chancengleichheit wurde im Jahr 1971 von der sozialliberalen Koalition das BAföG eingeführt. Schülerinnen und Schüler, die Anspruch auf BAföG haben, erhalten dieses vollständig als nicht zurückzuzahlenden Zuschuss. Im Gegensatz dazu erhalten Studierende die BAföG-Leistungen im Regelfall zur Hälfte als Zuschuss (nicht rückzuzahlen) und zur Hälfte als zinsloses Darlehen. Mit der Rückzahlung dieses Darlehens muss ab fünf Jahren nach Ende der BAföG-Förderhöchstdauer begonnen werden.

 

Ausbildungen im dualen System können nicht nach dem BAföG gefördert werden. In der Ausbildung erhalten Azubis während der Lehre ein Gehalt, das sich je nach Branche teilweise stark unterscheiden kann. Mit der Einführung der Mindestausbildungsvergütung wurde ein Minimum festgelegt, dass den Azubis zu zahlen ist. Meist liegen die Vergütungen für Azubis dank verschiedener Lohntarifverträge schon jetzt deutlich höher, seit dem 1. Januar 2022 gibt es aber nun endlich auch eine Grenze nach unten. Zusätzlich kann die Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) beantragt werden, die wiederum ein Zuschuss ist und nicht zurückgezahlt werden muss – auch nicht bei Abbruch der Ausbildung. Mehr zur BAB finden Sie unter www.arbeitsagentur.de/bildung/ausbildung/berufsausbildungsbeihilfe-bab.

 

Zur Unterstützung von Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung gibt es das Aufstiegs-BAföG. Damit werden Personen unterstützt, die höhere Fortbildungsabschlüsse wie Meisterin, Fachwirt, Technikerin oder Erzieher anstreben. Niemand wird mit hohen Kosten allein gelassen, ganz gleich, ob schon ein Abschluss absolviert ist, ein Studium abgebrochen wurde oder wie lange die letzte Ausbildung zurückliegt. Mit dem Aufstiegs-BAföG werden Fachkräfte unabhängig von Alter und Vermögen gefördert, z. B. bei Lehrgangs- und Prüfungsgebühren sowie bei den Kosten für ein Meisterstück. Auch bei Lehrgängen in Teilzeit kann nebenbei ohne Förderungseinschränkung weitergearbeitet und verdient werden. Finden Lehrgänge in Vollzeit statt, kann zusätzlich ein Beitrag zum Lebensunterhalt beantragt werden.

 

Lehrgangs- und Prüfungsgebühren werden, ganz unabhängig vom Einkommen, bis zu einer Höhe von 15.000€ zur Hälfte vom Staat bezuschusst. Der verbliebene Teil der Kosten kann über ein zinsgünstiges Darlehen von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) finanziert werden. Wird die Abschlussprüfung erfolgreich absolviert, müssen nur 50% des Darlehens zurückgezahlt werden. Macht sich die geförderte Person nach der Prüfung selbstständig, wird das Darlehen komplett erlassen. Weitere Informationen zum Aufstiegs-BAföG finden Sie auf www.aufstiegs-bafoeg.de.

 

Auch wenn bereits eine Fortbildung absolviert wurde, kann das Aufstiegs-BAföG noch greifen – über bis zu drei Fortbildungsstufen; bis auf Master-Niveau. 2021 wurden 192.000 Menschen mit dem Aufstiegs-BAföG gefördert – Das ist schon viel, wir wollen aber noch mehr: Aufstieg und Bildungsgerechtigkeit sind uns wichtig – deshalb ist es unser Anliegen, das duale System der beruflichen Ausbildung zu stärken, die Durchlässigkeit von beruflicher und akademischer Bildung zu verbessern und so die Gleichstellung von akademischen und beruflichen Abschlüssen weiter voranzutreiben.

 

Den Zugang zur Meisterausbildung wollen wir erleichtern, indem wir die Kosten von Meister -kursen und -briefen deutlich senken. Mit einer Förderinitiative wollen wir gezielt Menschen mit Migrationsgeschichte auf dem Ausbildungsmarkt unterstützen und auch Frauen im Handwerk stärken. Ebenso setzen wir uns für Tarifbindungen im Handwerk ein. So schaffen wir Sicherheit in Branchen und Berufen, die mit dem aktuellen Fachkräftemangel und der zu bewältigenden Klimakrise unabdingbar und wichtiger als je zu vor sind. Auf all das haben wir uns mit Grünen und FDP im Koalitionsvertrag geeinigt. Denn ob akademische Bildung oder berufliche Ausbildung - beides verdient die gleiche Anerkennung; dafür setzen wir uns ein.

 

Herzliche Grüße

 

Gülistan Yüksel, MdB

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