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Grietje Staffelt
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Frage von Silka R. •

Frage an Grietje Staffelt von Silka R. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Bettin,

wie soll die steuerliche Belastung für eine eheähnliche Gemeinschaft mit Kindern weiter aussehen?
Unser Fall 2 geschiedene Erwachsene, jeweils 2 Kinder, davon 3 im Haushalt lebend. Wir werden jeder als Single (Lstkl. 1) veranlagt und haben keinerlei Freibeträge die wir für die Kinder oder Haushaltsgemeinschaft nutzen können. Das ist ja bestimmt nicht im Sinne der Förderung von Kinder und ein Trauschein kann ja nicht zur Pflicht werden.
Ich habe als geschiedene in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit Kindern nur Nachteile.

Mit freundlichen Grüßen

Riha

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Riha,

Ihre Frage nach der steuerlichen Belastung für eheähnliche Gemeinschaften mit Kindern ergibt sich aus den nachteiligen Wirkungen der Abschaffung des Haushaltsfreibetrages. Auch wir hätten gerne den Haushaltsfreibetrag in seiner ursprünglichen Form beibehalten. Aber die Abschmelzung des Haushaltsfreibetrages war unvermeidlich, da das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung im Jahr 1998 die besondere Steuerregelung für Alleinerziehende für verfassungswidrig erklärt hat. Das Gericht hat den Gesetzgeber aufgefordert, eheliche Erziehungsgemeinschaften nicht schlechter zu stellen als unverheiratete Erziehungsgemeinschaften oder Alleinerziehende. Diese verfassungsrechtliche Vorgabe schränkte den politischen Gestaltungsspielraum leider deutlich ein.

Um die Mehrbelastung der Alleinerziehenden durch die Abschmelzung des Haushaltsfreibetrags abzumildern, haben wir schließlich darauf gedrängt, die Abschmelzung mit den Stufen der Steuerreform zu koppeln und damit zeitlich zu strecken und durch gleichzeitige Steuerentlastungen abzumildern. Das hat uns von verfassungsrechtlicher Seite bereits sehr viel Kritik eingebracht. Es gibt sogar verheiratete Eltern, die darauf geklagt haben, ebenfalls solange den Haushaltsfreibetrag zu bekommen, wie er noch den Alleinerziehenden gewährt wird, weil dies ansonsten nicht mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Einklang stünde.

Um die Alleinerziehenden in jeder Hinsicht zu entlasten, gleichzeitig aber die verfassungsrechtlich eng gesetzten Spielräume nicht zu überschreiten, haben wir uns schon in der laufenden Wahlperiode vehement für die steuerliche Abziehbarkeit von Betreuungskosten vom ersten Euro an eingesetzt. Daran halten wir auch im jetzigen Wahlprogramm fest.

Die Absetzbarkeit der Betreuungskosten kommt vor allem den Alleinerziehenden zugute, weil vor allem sie auf Betreuung ihrer Kinder angewiesen sind, wenn sie berufstätig sein wollen. Mit dieser Position waren wir aber leider bereits mehrfach bei den Verhandlungen mit der SPD auf keine Zustimmung gestoßen. Immerhin hatten wir aber dieses Ziel im letzten Koalitionsvertrag verankert – allerdings unter dem Vorbehalt der haushaltspolitischen Machbarkeit.

Wir waren deshalb sehr froh und erleichtert, dass wir innerhalb der Koalition einen neuen Freibetrag für so genannte „echte“ Alleinerziehende, die tatsächlich alleine leben und keine unmittelbare Unterstützung durch eine/n Partner/in im gleichen Haushalt erfahren können, in Höhe von 1.308 Euro jährlich vereinbaren konnten. Dieser ersetzte zum 1. Januar 2004 den bisherigen Haushaltsfreibetrag, der mit dem Vorziehen der Steuerreform von 2005 auf 2004 ebenfalls ein Jahr früher weggefallen ist.

Die Durchsetzung dieses speziellen Entlastungsbetrages für so genannte echte Alleinerziehende hat immens viel Kraft gekostet. Nicht umsonst war der erste Durchbruch erst im Rahmen der parlamentarischen Beratungen gelungen. Die zweite Hürde mussten wir im Vermittlungsverfahren nehmen, weil die Union zunächst strikt gegen das Vorziehen der Steuerreform und für das ersatzlose Streichen des Haushaltsfreibetrages Stellung bezogen hatte. Nur in zähen Verhandlungen ist uns dann der Erfolg in der letzten Sitzungsrunde gelungen.

Die wichtigste Bedingung dafür, dass dieser Erfolg verfassungsrechtlich überhaupt möglich war, ist, dass mit diesem neuen Entlastungsbetrag der haushaltsbedingte Mehraufwand berücksichtigt wird. Diesen Mehraufwand haben echte Alleinerziehende gegenüber anderen Familien mit mehr als einem Erwachsenen, egal ob sie verheiratet oder unverheiratet zusammen leben. Es kommt auf diesen Mehrbedarf an, weil auch Erziehende, die nicht wirklich alleine stehen, vom Staat ebenfalls bei der Erziehung ihrer Kinder unterstützt werden. Auch hier haben wir bereits enorm viel für Familien mit Kindern erreicht:

• Wir haben das Kindergeld von rund 112 Euro in 1998 auf 154 Euro seit 2002 erhöht, das sind im Jahr rund 500 Euro mehr und damit insgesamt 1.848 Euro Kindergeld pro erste und zweite Kinder.

• Wir haben auch die kindbezogenen Freibeträge erhöht, und zwar von 3.534 Euro auf 5.808 Euro.

• Wir unternehmen alle Anstrengungen, um Armut von Familien zu verhindern. Wir wollen Eltern dabei unterstützen, durch Erwerbsarbeit ihren Unterhalt selbst zu verdienen. Sie sollen nicht wegen ihrer Kinder von Leistungen der Sozialhilfe abhängig werden. Bei der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe haben wir einen Kinderzuschlag von bis zu 140 Euro für Familien mit geringem Einkommen im Vermittlungsverfahren zu den „Hartz-Gesetzen“ mit dem Bundesrat durchsetzen können. So erhalten gering verdienende Eltern, die mit ihren Einkünften zwar ihren eigenen Unterhalt finanzieren können, nicht aber den Unterhalt ihrer Kinder, einen Kinderzuschlag von bis zu 140 Euro pro Monat. Damit haben wir den Einstieg in unsere Kindergrundsicherung realisiert. Gerade diese Maßnahme unterstützt Alleinerziehende, um auf eigenen Füßen zu stehen. Wir wollen diese Maßnahme zu einer umfassenderen Kindergrundsicherung ausbauen. Zur Finanzierung ist vorgesehen, das Ehegattensplitting ab einem bestimmten Einkommen zu kappen, um die dann freiwerdenden Mittel dem Leben mit Kindern zukommen lassen zu können.

• Mit unseren Projekten Ganztagsschule und Ausbau der Betreuung von Kindern unter drei Jahren leisten wir einen wesentlichen Beitrag, dass Alleinerziehende Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren und ihren Lebensalltag besser bewältigen können. Der Bund wird in den kommenden Jahren diese Projekte mit rund 2,5 Milliarden Euro jährlich finanzieren. Wir setzen uns auch in Zukunft für den Ausbau flexibler Betreuungsstrukturen ein, denn das kommt vor allem den Bedürfnissen von Alleinerziehenden entgegen.

Wir haben auch noch weitere Verbesserungen für den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende erreicht, und zwar rückwirkend für 2004. Alleinerziehende erhalten nun auch dann den Entlastungsbetrag, wenn sie mit Kindern zusammen leben, die über 18 Jahre alt sind und für die sie aber noch Anspruch auf Kindergeld oder Kinderfreibeträge haben. Außerdem sollen Alleinerziehende auch dann den Entlastungsbetrag bekommen, wenn sie zwar mit Erwachsenen zusammenleben, diese aber weder tatsächlich noch finanziell in der Lage sind, die oder den Alleinerziehende(n) zu entlasten.

Diese Erfolge waren nicht selbstverständlich. Wir GRÜNE haben uns der meist äußerst prekären Situation von Alleinerziehenden endlich angenommen und wir GRÜNE haben diese Erfolge bis zum Schluss im Vermittlungsverfahren gegen den Widerstand aller anderen gerettet. Bei all den wohltönenden Diskussionen um gute Familienpolitik müssen sich alle Parteien letztlich daran messen lassen, was sie de facto getan, und nicht, was sie versprochen haben.

Ich hoffe, meine Ausführungen konnten Ihre Frage ausreichend beantworten.

Beste Grüße!

Grietje Bettin