Frage an Grietje Staffelt von Rico B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Staffelt,
der Linux-Verband e.V. ( http://www.linuxverband.de ) ist der Branchenverband der Open Source Unternehmen in Deutschland. Unsere Verbandsmitglieder repräsentieren den IT-Mittelstand, deren Geschäftsmodell vorrangig auf Open Source Software und tangierenden Dienstleistungen basiert. Als Vorstandsmitglied des Linuxverbandes bitte ich Sie, als medienpolitische Sprecherin Ihrer Fraktion, Ihren parteipolitischen Standpunkt zu Open Source zu erläutern und die nachfolgenden Fragen bis zum 20.09.2009 unter Berücksichtigung Ihres Parteiprogrammes zu beantworten.
1)
Welchen Standpunkt hat Ihre Partei generell zu Open Source Software?
2)
Sollte die Tatsache, ob es sich bei einer Software um Open Source Software handelt, bei der Bewertung von Angeboten auf öffentliche Ausschreibungen berücksichtigt werden?
3)
Sollten öffentliche Verwaltungen gehalten sein, grundsätzlich die Lieferung von Open Source Software auszuschreiben, wenn dies technisch und fachlich möglich ist?
4)
Sollten öffentliche Verwaltungen gehalten sein, grundsätzlich offene Standards und Schnittstellen (z.Bsp.: ODF / OpenOffice) in Ausschreibungen zu berücksichtigen?
5)
Halten Sie es für sinnvoll, in Deutschland oder in der EU ansässige Unternehmen und Einrichtungen (wie z.B. Forschungsinstitute), die Open Source Software entwickeln, besonders zu fördern?
6)
Sollte Open-Source-Software in Bildungseinrichtungen stärker verwendet werden?
Ich bedanke mich im Voraus für Ihre Antworten.
Mit freundlichen Grüßen,
Rico Barth
2.Vorsitzender
LIVE Linux-Verband e.V.
Sehr geehrter Herr Barth,
herzlichen Dank für Ihre Fragen, die ich Ihnen hiermit gern beantworte.
1) Welchen Standpunkt hat Ihre Partei generell zu Open Source Software?
Bündnis 90/Die Grünen sprechen sich seit langem für Freie Software, offene Formate und Lizenzen wie z.B. Creative Commons aus. Deshalb werden wir auch in Zukunft gegen Softwarepatente kämpfen und uns gegen die Diskriminierung von freier Software in der Verwaltung einsetzen. Freie Software lohnt sich nicht nur wirtschaftlich und ist sicherer. Sie bietet durch ihre Kompatibilität und lange Lebensdauer auch einen großen ökologischen Vorteil.
2) Sollte die Tatsache, ob es sich bei einer Software um Open Source Software handelt, bei der Bewertung von Angeboten auf öffentliche Ausschreibungen berücksichtigt werden?
Die Unterschiede von Open Software und proprietärer Software sind erheblich, besonders was die langfristigen Kosten, die Abhängigkeit von den Softwareanbietern, sowie die Kontrolle über den Code und die Anpassungsfähigkeit an spezielle Anwendungen betrifft.
Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass sich Open Source und offene Formate noch stärker auch in der Verwaltung durchsetzen.
3) Sollten öffentliche Verwaltungen gehalten sein, grundsätzlich die Lieferung von Open Source Software auszuschreiben, wenn dies technisch und fachlich möglich ist?
Wenn die Möglichkeit besteht, Open Source Software einzusetzen, weil sie den gestellten Anforderungen entspricht, dann sollten die spezifischen Vorteile von Open Source Software, wie zum Beispiel die geringe Abhängigkeit von Anbietern, auch wirklich genutzt werden.
4) Sollten öffentliche Verwaltungen gehalten sein, grundsätzlich offene Standards und Schnittstellen (z.Bsp.: ODF / OpenOffice) in Ausschreibungen zu berücksichtigen?
Wo immer sich die öffentliche Verwaltung auf Standards festlegt, müssen - soweit verfügbar - offene und patentfreie Standards bevorzugt werden. Gleiches gilt für die Dateiformate aller von der Verwaltung veröffentlichtenDokumente.
Es muss allerdings klar sein, was mit offenen Standards gemeint ist. Erst 2007 verabschiedete die große Koalition einen Antrag, in dem sie die Definition von offenen Standards so formulierte, dass sie gebührenpflichtige, patentierte Standards mit einbegriff. Offene Standards sind unserer Ansicht nach der richtige Weg, um Dokumente den Lesern und Nutzern auch für die Zukunft zu erhalten: Produkte die auf offenen Standards basieren, sind nicht abhängig vom wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg eines einzelnen Herstellers. Sie sind investitionssicher und können kostengünstig in vorhandene Systeme implementiert werden. Kleinen und mittleren Unternehmen wird der Zugang zu Informationsmärken erleichtert und der Wettbewerb im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien wird gestärkt.
5) Halten Sie es für sinnvoll, in Deutschland oder in der EU ansässige Unternehmen und Einrichtungen (wie z.B. Forschungsinstitute), die Open Source Software entwickeln, besonders zu fördern?
Bündnis 90/Die Grünen halten die Förderung der Open Source Forschung und Entwicklung für wichtig, sowohl in Forschungsinstituten als auch bei Unternehmen. Unter anderem haben wir in unserem Fraktionsbeschluss vom 5. Mai 2009 gefordert, die Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung besonders in kleinen und mittleren Unternehmen insgesamt attraktiver zu machen. Allen Unternehmen bis 250 Mitarbeiter sollen etwa 15 Prozent ihrer Ausgaben für Forschung und Entwicklung steuerlich gutgeschrieben werden.
6) Sollte Open-Source-Software in Bildungseinrichtungen stärker verwendet werden?
Open Source, Freie Software und Offene Formate müssen stärker als bisher Einzug in Bildungseinrichtungen und die öffentliche Verwaltung finden, weil sie kostengünstiger, energiesparender und grundsätzlich sicherer sind. Wir halten es auch für sinnvoll, die Medienkompetenzvermittlung in Schulen nicht nur auf Bedienungskenntnisse zu beschränken, sondern auch Hintergrundwissen zu vermitteln, etwa über das Potential von quelloffener und freier Software für Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Computerkompetenz darf nicht nur Programm-Anwendung bedeuten. Schließlich muss eine freie Entscheidung für oder gegen einzelne Programme oder Software-Lösungen möglich sein.
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichem Gruß
Grietje Staffelt