Frage an Grietje Staffelt von Florian H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Staffelt,
Dem Abstimmungsergebnis zum Zugangserschwernisgesetz entnehme ich das Sie sich nicht an der Abstimmung beteiligt haben.
Ich möchte von Ihnen nun gerne erfahren warum Sie sich zu diesen Schritt entschlossen haben. Sie hätten sich, wie 15 andere Mitglieder Ihrer Partei auch, enthalten können. Was vermutlich zu einer ähnlichen Frage geführt hätte.
Allerdings hat die Debatte um dieses Gesetz bei Ihnen offenbar nicht einmal zu diesen Entschluss geführt.
Ich möchte von Ihnen nun also wissen, was Sie zum total Verzicht einer Stimmabgabe bewogen hat?
Schließlich wird von einigen Bürgern die Meinung vertreten das jede Stimme die nicht gegen dieses Gesetz ist, eine Stimme für den Aufbau einer Zensurinfrastruktur ist. Nach dieser teilweise nachvollziehbaren Logik, müssten Sie sich also zukünftig unterstellen lassen für eine Zensur in Deutschland zu sein.
Andererseits unterstellt die Gegenseite jedem der nicht für dieses Gesetz ist eine gewisse nähe zur Kinderpornographieszene oder zu mindestens deren Duldung. Könnten Sie mit Ihrem Abstimmungsverhalten nun ausgesetzt sein.
Sind Sie nicht der Meinung das Ihre Wählerrinnen und Wähler, gerade bei einem solch brisanten Thema, eine konkrete Antwort von Ihnen erwarten dürfen?
Mit freundlichen Grüßen,
Florian Hannemann
Sehr geehrter Herr Hannemann,
am vergangenen Donnerstag hat das Parlament mit einer Mehrheit von 398 Stimmen, überwiegend aus der Koalition, dem Gesetzentwurf der Bundesregierung gegen Kinderpornographie im Internet zugestimmt. Ich lehne dieses Gesetz ab, weil es der Bekämpfung der Kinderpornographie meines Erachtens nicht dienlich ist und vor allem unverhältnismäßig in verbriefte Bürgerrechte eingreift.
Kinderpornographie ist eine der widerwärtigsten Straftaten überhaupt. Die Herstellung und Verbreitung, die Beschaffung und der Besitz von Kinderpornographie sind zu Recht strafbar. Dies gilt auch für das Internet. Auf der bestehenden Rechtsgrundlage kann schon heute gegen Anbieter und Nutzer kinderpornographischer Inhalte im Netz vorgegangen werden. Die Erfahrungen zeigen, dass die überwiegende Mehrzahl kinderpornographischer Inhalte umgehend gelöscht wird, wenn die Betreiber der Seiten auf die Inhalte hingewiesen werden. Das Stopp-Schild der Bundesregierung stellt nun allenfalls eine Zugangserschwernis dar, die ohne weitreichende technische Kenntnisse zu umgehen ist. Entsprechende Anleitungen lassen sich einfach im Netz finden. Der aktuelle Gesetzentwurf wirft also höchstens einen sehr durchsichtigen Schleier über die Inhalte, er beseitigt sie aber nicht.
Neben diesen grundsätzlichen Erwägungen sehe ich auch rechtsstaatliche Implikationen. Ich glaube nicht, dass in einem Rechtsstaat geheime Sperrlisten geführt werden sollten. Schon gar nicht von einer Institution wie dem Bundeskriminalamt (BKA), dem hier auch die rechtsstaatliche Kompetenzzuweisung fehlt. Außer in der Terrorismusbekämpfung hat das BKA keine Zuständigkeit in der Gefahrenabwehr. Zusätzlich dann noch den Bundesdatenschutzbeauftragten als Prüfinstanz mit ins Boot zu holen und damit seine dringend notwendige Unabhängigkeit zu beschädigen, ist der falsche Ansatz.
Ich teile die Ansicht vieler User und Aktivisten im Netz sowie die Einschätzung von Juristen, dass die von der Bundesregierung geplante Sperrinfrastruktur zumindest die Gefahr einer Ausdehnung auf andere Inhalte als Kinderpornographie implizit beinhaltet. Wenn nicht heute, so vielleicht in Zukunft. Die Ereignisse rund um die Proteste gegen das offizielle Wahlergebnis im Iran zeigen, wie wichtig der freie Zugang zu Informationen für eine offene Gesellschaft ist. Wer das Grundrecht auf freie Information einschränkt, schwächt automatisch auch alle anderen Grundrechte. Der Kampf gegen Kinderpornographie ist zwar dringend notwendig, er darf aber auch im Netz nicht dazu führen, dass elementare Grundrechte verletzt werden. Das Internet darf kein grundrechtsfreier Raum werden!
Schlichte Symbolpolitik à la Ursula von der Leyen wird den Missbrauch und die Misshandlung von Kindern nicht beenden. Viel wichtiger und effektiver wäre es, bestehende Gesetze konsequent anzuwenden und international für vergleichbare Standards bei der Verfolgung von Kinderpornographie und Kindesmissbrauch im Netz ebenso wie im realen Leben zu sorgen.
Da am Donnerstag die Betreuung meiner kleinen Tochter kurzfristig nicht gewährleistet war, konnte ich an der Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung gegen Kinderpornographie im Internet nicht teilnehmen. Wäre es mir möglich gewesen, meine Stimme abzugeben, dann hätte ich ganz klar gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung gestimmt.
Ich möchte an dieser Stelle zusätzlich betonen, dass keine grüne Abgeordnete und kein grüner Abgeordneter für den Gesetzentwurf der großen Koalition gestimmt hat. Es gab insgesamt 15 Grüne, die sich enthalten haben. Diese Abgeordneten haben sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht und hatten sicher gewichtige Gründe für ihre Entscheidung. Die Enthaltungen interpretiere ich so, dass sich die 15 Abgeordneten durchaus über die rechtsstaatlich fragwürdigen Auswirkungen bewusst waren und sind. Nur sind sie in einer ganz persönlichen Güterabwägung zu anderen Schlüssen gekommen, die ich nicht teile. Es gehört aber zu einer Demokratie und damit zu einer demokratischen Partei, dass auch abweichende Meinungen, wenn sie begründet sind, akzeptiert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Grietje Staffelt