Frage an Grietje Staffelt von Helmut E. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte /r Kandidat/in,
Wie stehen Sie zur Stasiopferrente? Sollte es für die Opfer der DDR Diktatur eine angemessene Rente für ihr erlittenes Leid in der DDR geben?
Derzeitig erhalten viele der früheren Opfer der DDR Diktatur Harzt IV- oder Sozialhilfeunterstützung. Dagegen bekommen ihre früheren Peiniger gute Staatsrenten.
Viele hohe “Nomenklatura Kader” der früheren SED genießen hohe Renten. Sie waren verantwortlich für den täglichen Terror in der DDR.
Ich halte es für ein Armutszeugnis unseres “freiheitlich demokratischen Rechtsstaates” wenn dieser Staat die früheren Täter belohnt und die einstigen Opfer der DDR- Justiz am Rande des Existenzminimums leben lässt.
Alle Politiker, welche am 17. Juni und im Bendlerblock lautstark ihre Sonntagsreden halten, sind mehr als unglaubwürdig, solange die Opfer der DDR Diktatur keinerlei Opferrente erhalten.
Mit freundlichen Gruß
H. Eckert
Sehr geehrter Herr Eckert,
seit 1990 haben Bündnis 90/Die Grünen stets auf Seiten der Opfer des SED-Regimes gestanden. An dieser Haltung hat sich seit der Zeit von Dr. Wolfgang Ullmann im Bundestag nichts geändert. Wir haben seinerzeit die ersten Vorschläge für eine Unrechtsbereinigungsgesetzgebung entwickelt, deren Ziel die Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer des SED-Regimes ist.
Dieser Linie sind wir auch in den Koalitionsverhandlungen treu geblieben. Wir haben erreicht, dass die Fristen des Beruflichen- und Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes erneut bis zum Ende der Wahlperiode verlängert wurden. Wir haben ferner vereinbart, die Stiftung für ehemalige politische Häftlinge zu stärken. Schon in der letzten Wahlperiode haben wir die Mittel aufgestockt, um der besonders benachteiligten Gruppe der Zivildeportierten jenseits der Oder wirksam zu helfen. Das konnten wir durchsetzen.
Nach dem Regierungswechsel 1998 ist es uns trotz der bekannten erheblichen finanziellen Engpässe gelungen, in dem Gesetz vom 1.1.2000 die Mittel für politische Häftlinge auf rund 300 Euro im Monat zu verdoppeln. Die Regierung Kohl hatte die politischen Häftlinge mit lediglich ca. 150 Euro im Monat abgespeist. Auch weitere Verbesserungen konnten erreicht werden, wie z.B. für die Hinterbliebenen von Verfolgten. Die Leistungen für die Zivildeportierten jenseits der Oder wurden durch eine Aufstockung der Mittel für die Stiftung für ehemalige politische Häftlinge deutlich verbessert. Wir bitten darum, diese Verbesserungen jetzt nicht zu vergessen. Von Anfang an hatten wir beispielsweise die unzulängliche Finanzausstattung der Gesetze kritisiert.
Es ist völlig verständlich und nahe liegend, wenn die Betroffenen und ihre Verbände die Auszahlung einer regelmäßigen Rente für die Verfolgung verlangen. Es ist unbestreitbar, dass diese Idee vor allem die schwierigen Beweisverfahren deutlich erleichtert, die bei der Ermittlung von Gesundheitsfolgeschäden immer wieder auftreten.
Der Vorschlag der „Ehrenpension“ selbst kam nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die „Stasi-Renten“ auf. Uns ist bekannt, welche Verbitterung diese Entscheidung bei den Opfern der SED hervorgerufen hat. Allerdings hat es Norbert Blüm als verantwortlicher Minister durch offensichtliche Mängel des Gesetzes den Klägern sehr leicht gemacht. Wir haben damals schon davor gewarnt, dass Karlsruhe nicht mitmachen wird, wenn die Rentenabschläge so breit gestreut werden. Genau das ist eingetreten. Dieses Urteil ist nach unserer Rechtsordnung verbindlich und muss umgesetzt werden. Die Entscheidung wird aber streng ausgelegt. Zuschläge über das gerichtlich vorgeschriebene Maß wird es nicht geben. Uns vorzuwerfen, die alten Systemträger zu privilegieren, ist absolut falsch. Wir waren freilich in der Verlegenheit, wieder einmal ein verfassungswidriges Gesetz der alten Regierung korrigieren zu müssen. Das uns jetzt die dafür Verantwortlichen angreifen, ist ebenso infam wie durchsichtig.
Der Gesetzentwurf der Union für ein Drittes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz (Drs. 14/3665) ist indes für uns keine Grundlage für eine seriöse Debatte. Die Union selbst spricht von jährlichen Kosten in Höhe von 770 Millionen Euro. Die Haushaltslage ist so eng, dass schon die Aufstockung der Haftentschädigung nur mit äußersten Mühen umzuset-zen war. Es ist angesichts der Versäumnisse der Union bei der Ausgestaltung der Unrechtsbereinigungsgesetzgebung wenig glaubhaft, wenn sie nunmehr Forderungen erhebt, die sie niemals selbst umgesetzt hätte.
Die praktische Umsetzung der Forderung nach einer Ehrenpension wirft aber kaum überwindbare Abgrenzungsprobleme auf. Ab welchem Grad des Widerstandes kann eine solche Rente gewährt werden und wer ist davon ausgeschlossen? Wer viele Jahre in Haft gesessen und Opfer von Zersetzungsmaßnahmen der Staatssicherheit war, müsste doch besser gestellt werden, als jemand, der heute trotz politischer Schwierigkeiten zu DDR-Zeiten in seinem alten Beruf weiter arbeiten konnte und keine finanziellen Nachteile erlitten hatte. Es wäre auch mit dem Gedanken der Gerechtigkeit nur schwer zu vereinbaren, dass Menschen, die als Folge der Haft in den 50er und 60er Jahren gesundheitlich ruiniert wurden, nicht besser gestellt würden.
Wie anfangs bereits angesprochen, stehen Bündnis 90/Die Grünen zu ihrer Verantwortung für die Verfolgten des SED-Regimes. Bei aller Skepsis gegenüber dem Vorschlag der Ehrenpension – wir brauchen weitere Verbesserungen des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes. Wir haben im Koalitionsvertrag keine bestimmten Summen genannt, wohl aber ein Verfahren zur Überprüfung der rentenrechtlichen Situation der Betroffenen vereinbart. Wir wollen aber nicht verhehlen, dass angesichts der Lage der öffentlichen Kassen und auch der Sozialversicherungsträger keine Wunder zu erwarten sind. Die jüngsten Vorschläge aus der Union würden nach Schätzungen der Antragsteller selbst fast 400 Millionen Euro kosten. Diese Summe liegt weit außerhalb des Darstellbaren, zumal auch andere Gruppen von Verfolgten ihre Ansprüche geltend machen würden.
Gleichwohl bleibt festzuhalten: Die Regelungen des Vierten Abschnitts des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes werden im Lichte der Überprüfung aller Rentenbescheide durch die Bundesversicherungsanstalt neu zu bewerten sein. Hier bitten wir die Betroffenen und ihre Verbände um Unterstützung und Hilfe bei der praktischen Auswertung.
Sollten sich unsere Erkenntnisse als richtig herausstellen, dass Verfolgte eine im Vergleich zu anderen mit vergleichbarer Erwerbsbiographie deutlich niedrigere Rente bekommen, werden wir gesetzliche Verbesserungen einfordern. Der Anspruch der §§ 11 ff. des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes, die Verfolgungszeiten als Pflichtbeitragszeiten anzuerkennen und so einen vollen Ausgleich der Nachteile zu bewirken, bleibt für uns bestehen. Hier lassen wir nicht locker, wenigstens über die Stiftung für ehemalige politische Häftlinge oder über eine Aufstockung der Ausgleichs-zahlungen für Härtefälle nach § 8 de Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes zu erreichen.
Beste Grüße!
Grietje Bettin