Warum arbeiten Politiker nicht wie Ingenieure?
Sehr geehrter Herr Gysi,
unter den Mitgliedern des Bundestags nehme ich Sie als einen der wenigen wirklich politisch interessierten und versierten Menschen wahr. Daher möchte ich folgende Frage(n) an Sie stellen:
Weshalb erscheinen politische Entscheidungen (zumindest mir) sehr willkürlich und die Entscheidungsfindungen so intransparent? Sollte jeder politischen Entscheidung nicht vielmehr die ingenieursmäßige Durchführung eines Projektes vorausgehen, sodass der damit verbundene logische Prozess im Prinzip am Ende keine Abstimmung mehr erfordert, sondern wissenschaftlich auf ein eindeutiges Ergebnis hinausläuft?
Mir wird oft schlecht, wenn ich die würdelosen Auftritte mancher Abgeordneten auf Phoenix sehe, die weder auf Gesagtes anderer Parteien sachlich eingehen, noch in irgendeiner Weise wohlwollend und konstruktiv mit gegensätzlichen Vorstellungen umgehen.
Jedenfalls danke, dass es Sie auch noch gibt.
Viele Grüße
L. B.
Sehr geehrter Herr B.,
Ihre Frage vom 26. März hat mich erreicht.
Ein Problem besteht darin, dass mehrere Koalitionspartner immer einen Kompromiss bei unterschiedlichen Auffassungen suchen müssen. Von Übel ist allerdings, dass sie für ihre Entscheidungen in aller Regel nicht die wahren Beweggründe angeben, sondern andere. Das hat damit zu tun, dass nach einer Entscheidung die Frage diskutiert wird, wie man die Entscheidung an die Bevölkerung „verkaufen“ kann. Man versucht eine Argumentation zu finden, von der man meint, dass sie die Mehrheit am ehesten trägt. Manchmal sind es die wahren Beweggründe, oft aber nicht.
Politische Entscheidungen können nicht wissenschaftlich herbeigeführt werden, zumindest nur selten.
Mit freundlichen Grüßen
Gregor Gysi