Sehen Sie noch Verhandlungsoptionen zwischen der Ukraine und Russland?
Sehr geehrter Herr Gysi,
soweit ich Sie verstanden habe, sind Sie immer noch der Meinung, dass nur Verhandlungen mit Putin einen dauerhaften Frieden ermöglichen können. Auch wenn es sehr zweifelhaft ist, dass Putin bei den kremlinternen Machtkämpfen überhaupt noch das Heft des Handelns in der Hand hält und auch die Ernsthaftigkeit solcher jüngst erst wieder geäußerten Gesprächsangebote seines Außenministers stark bezweifelt werden müssen, können Sie in fünf bis sieben Punkten zusammenfassen, worin Ihrer Ansicht nach beide Seiten sich einigen könnten, welche Zugeständnisse Sie von der jeweils anderen Seite erwarten, wie Sie ein solches Abkommen im Gegensatz zu den Minsker-Abkommen absichern würden und ob Sie auch die Türkei als Partei in so einem Vertragsdokument einbinden würden?
Mit freundlichen Grüßen
Wilii K.
Sehr geehrter Herr K.,
Ihre Frage vom 12. Oktober hat mich erreicht. Zunächst müsste es einen Waffenstillstand geben. Anschließend können erst Friedensverhandlungen stattfinden mit Beteiligung Dritter. Den türkischen Präsidenten halte ich für wenig geeignet. Es könnten zum Beispiel die USA und China sein. Aber auch Frankreich und Deutschland wären denkbar. Beim Abkommen Minsk II hat ja die Ukraine ihre Verpflichtungen nicht eingehalten. Weder wurde eine Autonomie des Donbassgebietes festgelegt, noch fanden unter Aufsicht der OSZE Wahlen statt.
Natürlich müsste man sich territorial verständigen. Es gibt auch eine Verständigung über die doppelte Staatsbürgerschaft. Man müsste auch festlegen, in welchem Umfang die russische Sprache in der Ukraine und die ukrainische Sprache in Russland erlaubt werden. Letztlich glaube ich müsste man sich über einen Verlauf einer Grenze auch auf internationale Truppen dazwischen verständigen, damit keine Seite das Abkommen verletzt. All das ist sehr kompliziert und wird dauern. Ich glaube aber nicht, dass die Ukraine oder Russland den Krieg gewinnen kann. Deshalb meine ich, dass wir so schnell wie möglich einen Waffenstillstand benötigen.
Mit freundlichen Grüßen
Gregor Gysi
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