Frage an Gregor Gysi von Andreas S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Gysi,
Die jüngste Stein des Anstosses für mich betrifft die "Nationale Abschottung durch Sperrverfügungen gegen illegale Inhalte im Internet" wie ein Artikel des Max-Planck-Instituts lautet.
Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht hat hierzu eine Studie veröffentlicht, "Sperrverfügungen im Internet - Nationale Rechtsdurchsetzung im globalen Cyberspace?", die im Jahr 2006 begann und 2008 beendet wurde.
Ich möchte Sie, falls nicht schon bekannt, auf diese Studie hinweisen bezüglich der aktuellen Diskussion um "Internetsperren" und bitte Sie, Ihren Beitrag zu leisten diese Diskussion auf die Ebene der technischen Realität zu lenken.
Ich frage Sie, wie es sein kann, dass eine Diskussion von solch ungeheurer Wichtigkeit und Tragweite (Grundgesetz, Fernmeldegeheimnis) im Kernbereich unserer Gesellschaft, angesichts solch rennomierter Information, auf der politischen Bühne so Laienhaft und so weit weg von der technischen Realität geführt wird. Wie sieht die zukünftige Linie ihrer Partei diesbezüglich aus?
Kinderpornografische Taten sind ohne jeden Zweifel an Grausamkeit kaum zu überbieten und rechtlich aufs schärfste zu verfolgen, mir drängt sich jedoch der Gedanke des blinden politischen Aktionismus auf bzw. der sehr empörende Gedanke, dass hier Wahlkampfvorbereitung auf dem Rücken eben jener Kinder geschieht.
Mit freundlichen Grüssen
Andreas Seegerer
Sehr geehrter Herr Seegerer,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 19. April, die ich an Prof. Dr.
Lothar Bisky mit der Bitte weitergeleitet habe, Ihnen eine konkretere Antwort zukommen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi
Sehr geehrter Herr Seegerer,
wie von Gregor Gysi angekündigt antworte ich Ihnen gerne auf Ihre Frage: Die von der Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen geplante Sperrung kinderpornographischer Internetseiten birgt tatsächlich erhebliche Probleme. Diese bestehen, wie Sie unter Verweis auf die Studie des Max-Planck-Instituts zu Recht feststellen, vor allem in einer ungeklärten Grundgesetzeskonformität und einer fehlenden technologischen Wirksamkeit solcher Sperrungen. Ebenso ist die Befürchtung, dass Internetsperrungen auch solche Angebote betreffen könnten, die gar keine kinderpornographischen Inhalte umfassen, nicht unbegründet.
Mittlerweile wird auch in der kritischen Medienberichterstattung wahrgenommen, dass die beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung von Kinderpornographie im Internet nichts weiter sind als symbolische Politik: Vor die Bilder misshandelter Kinder wird lediglich eine Art Vorhang gezogen, der selbst von weniger versierten Internetnutzern und –nutzerinnen jederzeit beiseite geschoben werden kann.
Ich bin der Meinung, dass die Bekämpfung von Kinderpornographie im Internet ein zu wichtiges Thema ist, um es populistisch und sachfremd zu betreiben. Den Opfern von Kinderpornographie und sexueller Gewalt ist nicht geholfen, wenn die Inhalte nur verdeckt werden, nicht aber entfernt. Dazu bestehen durchaus ganz konkrete Maßnahmen, die es zu national und international entfalten gilt und die wir mit einem Entschließungsantrag in die Debatte einbringen wollen.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Lothar Bisky