Frage an Gregor Gysi von Udo V. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,
Ich verfolge mit Interesse Ihre Arbeit und die Arbeit Ihrer Partei. Obwohl ich mich nicht mit allen Inhalten identifizieren kann, ist Die Linke für mich die derzeit noch am ehesten ´wählbare´ Partei.
Was mir jedoch aufgefallen ist (auch in persönlichen Diskussionen mit Vertretern der Linken), ist dass viele der grundsätzlich guten Ideen Ihrer Partei nur äußerst schwer bis unmöglich umzusetzen wären.
In diesem Zusammenhang habe ich einige Fragen zu Ihrem Vorschlag aus der Antwort an Kolloch vom 23.01.:
"Allerdings ist es so, dass wegen anderer Steuern schon jetzt Bestverdienende in andere Länder ziehen. Hier hat aber Die Linke vorgeschlagen, deutsche Staatsangehörige unabhängig vom Wohnsitz zu verpflichten, im Ausland ergangene Einkommensteuerbescheide nach Deutschland zu senden. Wenn sich dabei herausstellt, dass sie in Deutschland hätten mehr zahlen müssen, muss die Differenz hier noch bezahlt werden. Das ist eine Regelung, wie sie in den USA gilt."
Ich halte die Idee für gut, allerdings mE nicht wirklich umsetzbar. Daher meine Fragen:
- Wie lange denken Sie, würde es dauern, sämtliche Doppelbesteuerungsabkommen die Deutschland abgeschlossen hat, derart umzuverhandeln, dass die von Ihnen angedachte ´Differenzbesteuerung´ möglich wird?
- Wie lange würde es dauern und wie schätzen Sie die Kosten, die deutsche Finanzverwaltung bzw. eine angemessene Zahl ihrer Mitarbeiter so firm im Steuerrecht und den Sprachen einer Vielzahl von Staaten zu machen, dass die an gedachte Maßnahme praktisch durchführbar wäre?
- Gibt es überhaupt eine Art Meldeverzeichnis von im Ausland lebenden Bundesbürgern? Falls nein, wie würden Sie Sicherstellen, dass Ihre vorgeschlagene Regelung vollzogen werden kann und nicht unzählige Steuerpflichtige durch das Sieb fallen, weil man ihre Anschrift gar nicht kennt?
Ich bedanke mich im Voraus für die Beantwortung meiner Fragen. Viele Grüße und alles Gute für Ihre weitere politische Arbeit.
Sehr geehrter Herr Vogt,
Ihre Nachricht vom 8. Februar hat mich erreicht. Meines Erachtens müssten Doppelbesteuerungsabkommen nicht gekündigt werden, weil es nur um die Überweisung der Differenz geht. Die Steuern, die der oder die Betreffende in einem anderen Land bezahlt, wird ja anerkannt. Die Kosten wären nicht erheblich, weil es zunächst eine Selbstverpflichtung der Steuerpflichtigen gäbe. Die Finanzämter und die Staatsanwälte werden ja nur tätig, wenn eine Steuerhinterziehung vermutet wird.
Die Meldefrage ist deshalb nicht so kompliziert, weil Deutsche in anderen Ländern immer wieder die Erneuerung des Passes benötigen. Insofern wissen die Botschaften Bescheid.
Unabhängig von alledem muss zunächst davon ausgegangen werden, dass die meisten Menschen nicht kriminell werden, also ihrer Verpflichtung nachkommen. Studenten und andere interessieren nicht, weil sie ohnehin nicht einkommensteuerpflichtig sind. Um die wirklich prominenten Großverdiener, kümmern sich schon die Medien, so dass auch diesbezüglich eine Regelung nicht so kompliziert ist.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi