Frage an Gregor Gysi von Thomas F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,
verzeihen Sie mir vielmals das Missgeschick mit der falschen Anrede, natürlich bin ich sehr daran interessiert die Fragen von Ihnen persönlich beantwortet zu bekommen.
Als Hausarbeit im Studiengang Dipl. Finanzwirt beschäftige ich mich gerade mit der verfassungsmäßigen Vereinbarkeit von Mandat und Nebeneinkünften von Abgeordneten.
Daher würde ich mich sehr darüber freuen, wenn Sie mir zu einigen Fragen bezüglich §44a(2) S.4 AbgG des Bundestages Ihre persönliche Meinung zukommen ließen.
Hier die Fragen:
1. Durch immer wieder vorkommende Skandale wurden 2005 die sog. „arbeitslosen Zahlungen“ untersagt. Warum wurde aber mit Untersagung des einen problematischen Punktes ein anderer, nämlich die Möglichkeit Spendengelder durch Abgeordnete gem. §44a(2) S.4 AbgG zu vereinnahmen, hinzugefügt?
2. Wo liegt der Unterschied zwischen dem Erhalt von „arbeitslosen Zahlungen“ in Höhe von 50.000,- €, welche der Mandatsträger auf Grund eines fortbestehenden Arbeitsvertrages erhält und der Zuwendung von Spendengeldern durch die gleiche Firma in gleicher Höhe?
3. Und was passiert wenn besagte Firma die Spenden stückelt und mehrere Beträge durch Strohmänner von jeweils weniger als 10.000,- € zuwendet, welche dann auch nicht publikationspflichtig sind? Wo bleibt hier die nötige Transparenz, evtl. Einflussnahmen durch den Wähler verfolgen zu können?
4. In den Berichten der Kommission unabhängiger Sachverständiger zu Fragen der Parteienfinanzierung von 1993 und 2001 wird das Verbot von „Direktspenden an Abgeordnete“ gefordert. Wieso werden solche Ratschläge trotz der bekannten Bedenken bei der Gesetzgebung außer acht gelassen?
Vielen Dank für Ihre Hilfe bereits im Vorab
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Flaig
Sehr geehrter Herr Flaig,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich gern beantworte. Lassen Sie mich aber zuvor darauf hinweisen, dass ich nicht Bundestagspräsident bin. Ich würde es ungern sehen, wenn Sie mich in Ihrer Antwort als Bundestagspräsident zitieren würden.
1. Die Begründung für die Einfügung des § 44a Abs. 2 S. 4 AbgG müsste eigentlich dem als Bundestagsdrucksache eingereichten Gesetzesentwurf zu entnehmen sein. Es handelt sich hierbei um die
Drucksache 15/5671. Ich muss Sie leider auf diese Drucksache verweisen, da zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes die damalige PDS lediglich durch Gesine Lötzsch und Petra Pau im Bundestag vertreten war. Allerdings geht die Drucksache auf das von Ihnen aufgeworfene Problem nicht ein. Ich muss Sie deshalb leider bitten, dass Sie sich an die damaligen Regierungsfraktionen wenden und diese um Antwort bitten.
Ich persönlich kann mir vorstellen, dass beim Begriff Spenden nicht nur an Gelder gedacht worden ist, sondern beispielsweise auch an geldwerte Zuwendungen. Ich werde in dieser Annahme dadurch bestärkt, dass die Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages in § 4 Abs. 1 unter den Begriff Spenden auch geldwerte Zuwendungen subsumiert und in § 4 Abs. 2 und Abs. 3 Veröffentlichungspflichten für Spenden einer bestimmten Höhe vorsieht.
2. Der Unterschied liegt darin, dass im ersten Fall (arbeitslosen Zahlungen) ein Vertragsverhältnis entweder bestand oder besteht, während im zweiten Fall (Spende) eine Zahlung bzw. Übergabe eines geldwerten Vorteils ohne Vertrag, also ohne Rechtsgrundlage erfolgt.
3. In dem von Ihnen konstruierten Fall einer Stückelung der Spendengelder in Höhe von 50.000 EUR in Raten von jeweils weniger als 10.000 EUR würde der § 4 Abs. 2 eingreifen, nachdem Spenden die im Kalenderjahr den Betrag von 5.000 EUR übersteigen unter Angabe des Namens und der Anschrift des Spenders dem Präsidenten anzuzeigen sind. Wenn der Wert von 10.000 EUR im Kalenderjahr überschritten wird sind die Angaben nach § 4 Abs. 3 zu veröffentlichen. In diesem Sinne dürfte die von Ihnen geforderte Kontrolle gegeben sein.
4. Der Gesetzgeber ist frei in der Entscheidung, ob er Berichten von Kommissionen folgt. Gesetze sind ein politischer Aushandlungsprozess. Offensichtlich hat sich der damalige Gesetzgeber nicht auf den Bericht einlassen wollen. Da wie schon angedeutet, die damalige PDS nicht im Bundestag vertreten war können wir über die Gründe der Nichtberücksichtigung nur spekulieren. Ein Verbot von Direktspenden ist aber in dieser Absolutheit aus meiner Sicht auch sehr schwierig durchzusetzen. Ganz konsequent gesehen dürfte dann nämlich ein Abgeordneter/eine Abgeordnete die tagtäglich mit der Post eingehenden Werbegeschenke nicht einfach in den Papierkorb werfen, sondern müsste diese zurückschicken.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi