Frage an Gregor Gysi von Christine K. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Gysi,
ich selbst bin in der Ex-DDR aufgewachsen, und je länger diese zurückliegt, umso mehr kommt sie mir wie ein kleines Schlaraffenland vor, gerade im Bereich Bildung und Gemeinschaft, und ich frage mich heute oft: ´Warum wird von Leuten, die gar nicht dort gelebt haben, behauptet, wir hätten alle nix zu essen gehabt, während dort jedermann uneingezäunt seinen Garten stehenlassen konnte, und niemand hat ihm was weggeklaut? Es muß also genug zu essen gegeben haben, während ich hier und heute ständig wahrnehme, daß Kinder nichtmal das nötigste Schulzeug haben, Rentner vom Daumen in den Mund leben, volle Einkaufswagen weggeklaut werden, jemand wegen 10 Euro überfallen wird etc.´ Ich erinnere mich auch noch an die vielen vollen Lagerhallen - vollgepackt mit Billigkleidungsstücken, die in Richtung Westen gingen, um dort die Gewinngier einiger Weniger zu sättigen.
Jetzt aber zum Thema und zu meiner Frage: Meiner Ansicht nach ist Sozialismus etwas verdammt feines, aber ich denke: Inmitten von Kapitalismus kann er nicht überleben, da er einem gesuchten und gefundenen Fisch gleicht, der dem Hai direkt in den Mund schwimmt.
Meine 1. Frage daher: Denken Sie, daß, wenn hier ein Systemwandel kommen würde - welchen ich persönlich sehr befürworten würde, daß man dieses neue System vorsichtshalber erstmal in eine andere Richtung laufen lassen müßte (z.Bsp. in Richtung Humanwirtschaft), bis der Kapitalismus weltweit überwunden ist, um es gegen einen neuen Rückfall in eine ausschließlich Kapital-gesteuerte Neanderthaler-Epoche wie diese jetzige zu schützen oder glauben Sie, daß dies unnötig ist, weil das neue System sich selbst schützen könnte? Und wenn, dann: Wie?
2. Frage: Thema Umweltschutz inmitten von Kapitalismus: Meiner Ansicht nach ist dieser gar nicht möglich, da durch den ständigen Wachstumszwang von vornherein eine Ausbeutung von Naturressourcen vorprogrammiert ist? Wie sehen Sie das?
Danke für die Antworten.
Mit freundlichen Grüßen aus Hamburg
Sehr geehrte Frau Kosmol,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 1. Juni.
Ich denke, dass weltweit eine Entwicklung hin zu einem demokratischen Sozialismus einsetzen wird, in einem Land ist er gegen eine eher feindliche Umgebung kaum realisierbar. Ich stimme Ihnen dahingehend zu, dass der Kapitalismus die ökologische Frage vom Grundsatz her nicht lösen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi