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Gregor Gysi
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Frage von Ralph A. •

Frage an Gregor Gysi von Ralph A. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Gysi,

Warum definiert "Die Linke" gute Sozialpolitik ausschließlich über Umverteilung?

1. Jedes schwarz-gelb regierte Land weist eine gute Wirtschaftslage auf, was vor allem auch daran liegt, dass die mittelständische Wirtschaft dort gestärkt wird. Warum fordern Sie nicht mehr Wachstum und Arbeitsplätze durch Steuersenkungen?

2. Staatlich diktierte Löhne widersprechen der Freiheit der Wirtschaft. Ferner werden tausende Arbeitsplätze vernichtet, wenn der Mindestlohn über dem aktuellen Produktivitätsniveau liegt. Was nützt denn eigentlich einem Arbeitnehmer ein staatlicher Mindestlohn, wenn derselbe Staat ihn a) mit zusätzlichen Steuern und Abgaben belastet b) in die Arbeitslosigkeit treibt? Wenn man die Gerechtigkeitslücke schließen will, muss man doch auch die Nettofrage beantworten.

3. Ihre Aussage, dass 10 % über 2/3 des Vermögens verfügen, ist nur zum Teil richtig, denn man muss auch sehen, dass diese Leistungsträger die Hälfte unserer Schulen, unserer Infrastruktur etc. finanzieren, sprich 50 % unseres Sozialstaats. Wie stark wollen Sie diese Gruppe denn noch belasten? Leistung soll sich doch auch lohnen.

4. Warum stellt sich Ihre Partei gegen die Globalisierung? De Globalisierung bietet doch gerade den armen Ländern neue Aufstiegschancen in der Ökonomie! Wie wollen Sie denn Probleme von strukturschwachen Ländern lösen?

5. Warum wird die FDP von Ihrer Partei als "neoliberal" bezeichnet?

MfG
Ralph Apfelbacher

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Sehr geehrter Herr Apfelbacher,

ich will versuchen, Ihnen Ihre Fragen kurz zu beantworten:

Zu 1:
Union und FDP werden dort gewählt, wo es etwas zu verteilen gibt. Wenn ein Land arm ist, gerade auch durch die Politik von Union und FDP, wird eher links gewählt. Es war die CDU in Berlin, die die Stadt mit dem Bankenskandal ruinierte, so dass anschließend eine neue Regierung mit uns gebildet wurde, aber eben in einer verarmten Stadt.

Selbstverständlich fordern auch wir Wachstum und Arbeitsplätze. Steuersenkungen funktionieren aber nicht so. Als die Deutsche Bank eine große Steuersenkung bekam, bedankte sie sich bei der Regierung und erklärte gleichzeitig, 8000 Leute zu entlassen. Dadurch stiegen ihre Aktienkurse.

Zu 2:
Ich weiß nicht, ob flächendeckende gesetzliche Mindestlöhne die Freiheit der Wirtschaft tangieren, bin aber sicher, dass nur sie eine Freiheit für die Betreffenden ermöglicht. Ich weiß nicht, wie viel Sie die Stunde brutto verdienen. Aber ich kenne Leute, die 3,00 € brutto die Stunde verdienen und die in bitterer Armut leben. Damit kann und damit will ich mich nicht abfinden. 20 Mitgliedsländer der EU haben einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn. 6 Länder der EU haben einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von über 8,00 € brutto. Dazu gehören Großbritannien und Frankreich. Weder in Großbritannien noch in Frankreich hat dies zu Steuersteigerungen oder zu mehr Arbeitslosigkeit geführt.

Zu 3:
Selbst wenn Ihre Gegenüberstellung zuträfe, würden 50 % des Steueraufkommens doch höchstens 50 % des Vermögens rechtfertigen, nicht 2/3. Im übrigen ist aber auch das nicht richtig. Denn die 50 % beziehen sich nur auf die Einkommensteuer. Eine der größten Einnahmen des Staates erfolgt aber aus der Mehrwert- bzw. Umsatzsteuer. Diese müssen alle Bürgerinnen und Bürger bezahlen. An dieser Steuer sind die oberen 10 % keineswegs zu 50 % oder mehr beteiligt. Indem SPD, Grüne, Union und FDP den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer gesenkt haben, haben sie die Einnahmen aus dieser Steuer im Vergleich zu anderen Steuern auch noch gesenkt.

Zu 4:
Wir stellen uns nicht gegen die Globalisierung, sind aber globalisierungskritisch. Die Globalisierung kann auch zu Vorzügen für bestimmte Länder führen. Dazu muss sie aber gerecht gestaltet werden. Davon sind wir leider meilenweit entfernt.

Zu 5:
Neoliberal ist eine Politik dann, wenn sie Deregulierung,Privatisierung und Sozialabbau betreibt. Eine solche Politik betreiben Union, SPD, FDP und Grüne. Deshalb bezeichnen wir sie alle als "neoliberal".

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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