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Gregor Gysi
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Frage von Volker M. •

Frage an Gregor Gysi von Volker M. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,

Auch wenn Sie es wahrscheinlich abstreiten, wird Ihnen als klugem Menschen in Wirklichkeit bekannt sein, dass die Politik Ihrer Partei nur auf Pump finanzierbar ist und in der Realität zu einer Abwanderung von Unternehmen und Steuerzahlern ins Ausland führen würde.

Ergebnis: Noch mehr Arbeitslose, noch weniger Steuereinnahmen.

Diese Forderungen würden in ihrer Umsetzung auch den Wirtschaftstandort Deutschland endgültig erledigen.

Gewählt wurde die Linke als Protestpartei oder von Leuten, denen die anzunehmenden Folgen dieser Politik nicht bekannt sind.

Da Sie aber jetzt als fünfte Partei die Parteienlandschaft in Deutschland aufgemischt haben:

1. Glauben Sie nicht, man sollte jetzt auch mal langsam annähernd mit Realpolitik beginnen und z.B. die Finanzierbarkeit und die Wirkung von bestimmten Forderungen mit bedenken?

2. Warum trennt sich Ihre Partei nicht konsequent von Gegnern der freiheitlichen Demokratie oder von kommunistischen Idiologen?

3. Wo ist das Vermögen der SED gelandet?

Grüße

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Mertens,

Ihre Nachricht vom 11.3. hat mich erreicht.

Im Unterschied zu Ihnen glaube ich nicht, dass unsere Forderungen unfinanzierbar sind. Die OECD hat z. B. festgestellt, dass in Deutschland untere und durchschnittliche Einkommen im internationalen Vergleich übermäßig belastet, hohe Einkommen aber im internationalen Vergleich zu gering belastet sind. Die durchschnittliche Steuer- und Abgabenquote in der EU liegt bei 40,8 %, in Deutschland nur bei 35,6 %. Das ökonomisch stärkste Land der EU liegt also mit über 5 % unter dem Durchschnitt der EU bei Steuern und Abgaben.

Die ewige Drohung, dass alle Unternehmen gingen, wenn man Steuergerechtigkeit herstellte, ist für mich nicht nachvollziehbar. In Schweden gibt es z. B. eine Vermögenssteuer, deshalb wandern die Vermögenden in Schweden aber nicht nach Deutschland aus. Die Körperschaftssteuer für die Deutsche Bank und andere Kapitalgesellschaften betrug unter Helmut Kohl noch 45 %, ohne dass diese Unternehmen gingen. Heute beträgt sie nur noch 15 %. Dadurch ist kein einziger Arbeitsplatz entstanden, aber bestimmte soziale Belange sind unfinanzierbar gemacht worden.

Ich halte nichts von der so genannten Realpolitik, die den Rentnerinnen und Rentnern, den Kranken, den Arbeitslosen und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erklärt, dass für sie nichts da sei, und deshalb die Vermögenden, die Bestverdienenden und die Konzerne immer stärker geschont werden müssten.

In unserer Partei gibt es keine Gegner der freiheitlichen Demokratie. Wir treten überall dafür ein. Menschen entwickeln sich. Bitte denken Sie daran, dass viele Grüne ursprünglich aus kommunistischen Gruppen kamen, ohne dass Sie oder andere ihnen das vorhalten. Die CDU übernahm zwei Blockparteien der DDR, ebenso die FDP. Diese vier Blockparteien begrüßten die Mauer und alle anderen Erscheinungen der DDR, ohne dass die CDU und die FDP auch nur eine halbe Stunde Aufarbeitung diesbezüglich betrieben hätten. Gelegentlich erstaunt es mich, wie einseitig die Wahrnehmung ist.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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