Frage an Gregor Gysi von Harald W. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,
Ludwig Erhard schrieb 1957 in seinem berühmten Buch "Wohlstand für Alle", S. 7:
"... So wollte ich jeden Zweifel beseitigt wissen, daß ich die Verwirklichung einer Wirtschaftsverfassung anstrebe, die immer weitere und breitere Schichten unseres Volkes zu Wohlstand zu führen vermag. Am Ausgangspunkt stand da der Wunsch, über eine breitgeschichtete Massenkaufkraft die alte konservative soziale Struktur endgültig zu überwinden.
Diese überkommene Hierarchie war auf der einen Seite durch eine dünne Oberschicht, welche sich jeden Konsum leisten konnte, wie andererseits durch eine quantitativ sehr breite Unterschicht mit unzureichender Kaufkraft gekennzeichnet. Die Neugestaltung unserer Wirtschaftsordnung musste also die Voraussetzungen dafür schaffen, daß dieser einer fortschrittlichen Entwicklung entgegenstehende Zustand und damit zugleich auch endlich das Ressentiment zwischen ´arm´ und ´reich´ überwunden werden konnten. Ich habe keinerlei Anlaß, weder die materielle noch die sittliche Grundlage meiner Bemühungen mittlerweile zu verleugnen. Sie bestimmt heute wie damals mein Denken und Handeln."
Was meinen Sie, sind wir heute dem Ziel breiter Massenkaufkraft näher gekommen oder haben wir eher wieder eine Spaltung der Gesellschaft wie in den 1920er Jahren in wenige Superreiche und dem Rest der Gesellschaft ohne bedeutende Kaufkraft?
Fühlen Sie sich den Zielen Ludwig Erhards verpflichtet / sympathisieren Sie damit / treten Sie aktiv dafür ein?
Was denken Sie, wie viel Euro pro Kopf oder Haushalt sind heute das Maß, um das Ziel Ludwig Erhards von breiter Massenkaufkraft als erreicht ansehen zu können?
Mit freundlichen Grüßen
dr. wo
Sehr geehrter Herr Wozniewski,
Ihre Nachricht hat mich erreicht.
Ludwig Erhard hat zum Teil kluge Sachen gesagt und geschrieben, die ich teile. Das gilt selbstverständlich nicht für sein gesamtes Werk, denn ich bin demokratischer Sozialist, was er mit Sicherheit nicht war.
Unabhängig davon ist es so, dass der Reichtum in unserer Gesellschaft ebenso zugenommen hat wie die Armut. Die Spaltung der Gesellschaft ist größer geworden. Seit Jahren ist der Reallohn in Deutschland gesunken, das gilt auch für Sozialleistungen. Unter all dem leiden auch jene Unternehmen, die auf die Binnenkaufkraft angewiesen sind.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi