Frage an Gregor Gysi von Birgitta G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Dr. Gysi,
nachdem Sie im Gegensatz zu anderen Abgeordneten die Fragen der BürgerInnen in Abgeordnetenwatch beantworten, möchte ich Ihnen zuerst einmal danken!
Nun zu meiner Frage, die ich zuständigkeitshalber bereits an Bundesminister Seehofer gestellt habe, der allerdings seine Antwort in diesem Forum leider verweigert.
Laut EU-Recht hat jedes Mitgliedsland die Möglichkeit, neben der obligaten Markierung mit Ohrmarken zu Zwecken der Herkunftssicherung (= Seuchenkontrolle, Verbrauchersicherheit und Subventionszahlungen) einen Sonderantrag zur Markierung von Rindern zu stellen. Andere ML der EU haben dies bereits getan, um den besonderen Bedürfnissen bestimmter rinderhaltender Betriebe nachzukommen. Deutschland weigert sich allerdings seit Jahren diesen Sonderantrag zu stellen. Wir möchten gerne unsere Rinder rein elektronisch (wie in der EU-weiten IDEA-Studie) mit injizierten Transpondern markieren und dieses System auch anerkannt bekommen. Ohne Anerkennung verstößt man nämlich gegen die sog. Cross Compliance Auflage (= u.a. Tierkennzeichnung) und die Betriebsprämie wird gestrichen. Die Anerkennung gelingt allerdings nur über die Stellung des Sonderantrages, den einzig die sog. competent authority (= Referat 323 im Bundesministerium) stellen kann.
Egal ob parlamentarische Anfrage auf Länder- oder gar EU-Ebene das Ergebnis ist stets negativ. Obwohl sich die IDEA-Studie bezüglich "möglicher krimmineller Machenschaften" durch das rein elektronische, also Ohrmarkenlose, System viel verspricht, passiert nichts. Selbst der EU-Kommission sind die Hände gebunden, denn sie kann nur Vorschläge unterbreiten, jedoch nicht judikativ eingreifen; selbst dann nicht wenn der EU Rechnungshof 2004 "Unstimmigkeiten" bei immerhin 3 MIO Rindern feststellt!
Welche Möglichkeiten sehen Sie, wie wir den Sonderantrag gestellt bekommen, der letztlich den EU-Gesetzessinn wesentlich besser erfüllt, als das derzeitige Ohrmarkensystem?
Herzlichen DANK!
Birgitta Grießer
Sehr geehrte Frau Grießer,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 18.12., die ich an unsere zuständige Abgeordnete, Frau Dr. Kirsten Tackmann mit der Bitte weitergeleitet habe, Ihnen eine Antwort zukommen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi
Sehr geehrte Frau Grießer,
Gregor Gysi hat mir Ihre Anfrage weitergeleitet mit der Bitte um Beantwortung. Ich habe mich auch zwischenzeitlich um weitere Informationen bemüht. Leider sind wir aufgrund des ersten Auftritts unserer Fraktion auf der Grünen Wochen, der zudem parallel zur üblichen Arbeit in 2 Sitzungswochen abgesichert werden muss, augenblicklich zeitlich nicht in der Lage, ihnen die Antwort schriftlich zuzusenden. Wir werden das aber so schnell wie möglich nachholen.
In der Hoffnung auf ihr Verständnis verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
Kirsten Tackmann, MdB
Sehr geehrter Frau Grießer,
erst einmal herzlichen Dank für Ihre Geduld, die Sie aufgebracht haben. Es hat leider eine ganze Weile gedauert bis zur Antwort, dafür möchte ich mich entschuldigen! Aber ich wollte mich in der Sache auch erst rundum sachkundig machen, ehe ich abschließend auf Ihre Frage antworte. Ich bitte Sie dafür um Verständnis.
Nun zu Ihrer Frage: eine alleinige elektronische Kennzeichnung von Rindern ist nach EU - Recht nicht möglich. Auch gibt es hierfür keine Sonder-Beantragung. Die EU Kennzeichnungsverordnung ermöglicht die elektronische Zweitkennzeichnung für Rinder. Eingesetzt werden dabei ausschließlich elektronische Ohrmarkensysteme. Diese sehen nach der aktuellen deutschen Vieh-VerkehrsVerordnung aus dem Jahr 2007 so aus, dass neben dem Chip zur elektronischen Erfassung die Ohrmarke zusätzlich optisch ablesbar sein muss.
Andere Systeme wie die die von Ihnen gewünschten Injektate bzw. Boli werden auch in anderen EU - Mitgliedsländern nicht eingesetzt bzw. zugelassen.
In dem Kommissionsbericht zu IDEA wird in den Schlussfolgerungen festgehalten, dass die Kennzeichung per Injektat de facto ausgeschlossen wird, da die Entnahme und Entsorgung nach der Schlachtung der Tiere problematisch ist und ein Teil der Injektate in die Nahrungskette gelangen könnte. Schlachtkörper, deren Injektate nicht gesichert werden, dürfen nicht mehr in der Nahrungskette verwertet werden. Als zweiter Grund wird angeführt, dass bis zu 80 % der Injektate nach Schlachtung der Tiere unleserlich geworden sind und damit eine Identifizierung der Schlachtkörper unmöglich wird.
Auch für den Pansenbolus als zweites Kennzeichnungssystem gibt es keine Zulassungen, da die Applikation schwierig ist und erst sehr viel später eingesetzt werden kann. Zudem können Fremdkörper das Ablesesystem stören und die Kontrolle der Funktionsfähigkeit ist naturgemäß schwierig. Hinzu kommt bei beiden Systemen, dass die Kompatibilität zwischen den EU - Mitgliedsstaaten nicht gegeben ist.
Dann noch eine Aussage zu den Ohrmarkensystemen: In der Praxis haben sich diese großenteils bewährt. Probleme gibt es vor allem bei Extensivrassen in der Mutterkuhhaltung durch Ohrmarkenverluste in der Weidetierhaltung. Die Anbringung der Ohrmarken funktioniert und die elektronischen Systeme haben den Vorteil, dass sie kleiner sind und damit geringere Verlustraten aufweisen. Zudem kann ein Verlust einer Marke direkt erkannt werden.
Über die Erkenntnisse der Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Kennzeichnungssysteme scheint auf EU-, Bund- und Länderebene im Großen und Ganzen Konsens zu herrschen. Insofern ist die fehlende Reaktion seitens der Bundesbehörden auf Ihre Anfrage nicht ganz nachzuvollziehen. Auch seitens der Linken erkennen wir derzeit bei der elektronischen Kennzeichnung von Rindern keinen weiteren gesetzlichen Regelungsbedarf. Ich sehe deshalb für den von Ihnen vorgeschlagenen Sonderantrag keine Möglichkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Tackmann, MdB