Frage an Gregor Gysi von sami B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Berisha

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 13. Oktober. Ich glaube, dass die Frage eines Staatsgebildes und die Frage der nationalen Zugehörigkeit nicht identisch zu beantworten sind. Hätte der Teil "Französische Schweiz" das Recht die Schweiz einfach zu verlassen? Wie ist es mit den Basken, die nicht zu Spanien gehören wollen? Es geht darum, dass die Menschen Grundrechte verwirklichen können müssen, unabhängig davon zu welchem Staat der Teil des Gebietes gehört, in dem sie leben.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

Sehr geehrter Herr Berisha,

Ihre Nachricht zum Kosovo hat mich erreicht. Es gibt einen Sicherheitsratsbeschluss der Vereinten Nationen, wonach der Kosovo Bestandteil Serbiens ist und bleibt. Die Loslösung des Kosovo wäre also völkerrechtswidrig, es sei denn es gäbe eine Verständigung mit Serbien. Sie wissen, dass ursprünglich mehrheitlich Serben im Kosov lebten, inzwischen mehrheitlich Kosovo-Albaner. Ich bin jemand, der immer für das Einwanderungsrecht eintritt. Die Nationalisten werden aber überall Erfolg haben, wenn das Ergebnis einer Einwanderung und einer Veränderung von Bevölkerungsmehrheiten darin besteht, dass sich die Teile vom Land loslösen. Mit welchen Argumenten soll man den Basken in Spanien verbieten, ihren Teil von Spanien zu trennen? Mit welchen Argumenten soll man den protestantischen Nordiren verbieten, einen Teil Nordirlands von Großbritannien zu trennen um mit Irland gemeinsam zu gehen? Sie kennen die gegenwärtigen Diskussionen in Belgien. Natürlich verstehe ich, dass die Kosovo-Albaner unabhängig werden wollen aber ich bitte Sie auch die übrige Situation in Europa zu sehen und sich zu überlegen, welche Konsequenzen damit verbunden sein können, wenn ein solches Beispiel geschaffen wird. Deshalb trete ich für ein Höchstmaß an Autonomie des Kosovo ein, nicht aber von einer einseitigen Loslösung.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi