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Gregor Gysi
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Frage von Christian H. •

Frage an Gregor Gysi von Christian H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Gysi,

Im Rahmen meiner Studienforschung möchte ich Sie gerne Fragen wie die Fraktion die Linke zu der Thematik Kryptowährungen steht. In einigen Ländern gibt es bereits Regulierungen dazu (Singapur, Malta und China) als erstes Land in der EU ist meines Wissens nach Litauen eine ernst zunehmende Regulierung an den Start gebracht. Des Weiteren sind Smart Contracts eine wunderbare Anwendung um zukünftig Zahlungsabwicklungen automatisch und rechtlich "sauber" abwickeln zu können.

Kurz und knapp möchte ich gerne erfahren welchen Stand die Fraktion die Linke zu der Thematik Kryptowährungen hat und wie die Ausrichtung der Partei bei Einbringung eines Gesetztesentwurfes aussehen würde?
Im Internet findet man keine klare Positionierung Ihrer Partei zu dieser Thematik.

Mit freundlichen Grüßen
Christian Heinßmann

Portrait von Gregor Gysi
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr H.,

vielen Dank für Ihre interessante Nachricht vom 23. April. Ich habe sie an die Abgeordnete Dr. Gesine Lötzsch mit der Bitte weitergeleitet, Ihnen zu antworten.

Mit freundlichen Grüßen

Gregor Gysi

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Antwort von
BSW

Lieber Herr H.,

besten Dank für ihre Zuschrift. Ihre E-Mail wurde uns von Gregor Gysi bzw. Frau Dr. Gesine Lötzsch weitergeleitet.

Ich unterscheide grundsätzlich zwischen der Distributed-Ledger- bzw. Kryptotechnologie (DLT) und Kryptowährungen. Die Technologie hat großes Potential - etwa durch automatisierte Vertragsabschlüsse. Den Begriff der Kryptowährungen finde ich jedoch irreführend, da Blockchain-Anwendungen wie z.B. Bitcoins nicht die klassischen Funktionen von Geld erfüllen, nicht staatlich garantiert und auch kein effizientes Zahlungsmittel sind (man denke an den Stromverbrauch der Rechner).

Zudem sind private Kryptoassets anfällig für Spekulation und erhebliche Kursschwankungen, da etwa bei Bitcoins das Angebot durch Rechnerleistung begrenzt wird. Die Anonymität schafft außerdem einen Dark Room für Geldwäsche und Finanzkriminalität.

Bei der Finanzaufsicht über virtuelle Währungen und Assets sowie der Bekämpfung der Geldwäsche auf Handelsplattformen und E-Börsen überwiegen nach unserer Ansicht zu diesem Zeitpunkt die Risiken. Daher fordern wir zunächst die personelle und fachliche Befähigung der BaFin, um eine ausreichende Aufsicht zu gewährleisten.

Weitere Ausführungen zum Thema virtuelle Währungen finden Sie auf meiner Webseite unter folgendem Link:
https://www.fabio-de-masi.de/de/article/2114.private-kryptowährungen-sind-kein-ersatz-für-staatliches-zentralbankgeld.html

Ich spreche mich jedoch für staatlich garantiertes E-Geld aus, das im Unterschied zu privaten Kryptowährungen so sicher wie Bargeld und der Kreditschöpfung der Banken entzogen wäre. Die schwedische Reichsbank prüft etwa die Potenziale staatlicher E-Währungen. Leider lehnt die Bundesbank dies für Kleinsparer ab, da sie befürchtet, dass Bankkunden, die bei der EZB ein eigenes Konto mit staatlich garantiertem E-Geld führen könnten, dann ihre Guthaben von den Geschäftsbanken zur EZB holen (digitaler Bank Run), da die Guthaben bei der EZB im Unterschied zu Einlagen bei Geschäftsbanken 100 Prozent sicher wären (https://www.bundesbank.de/resource/blob/764592/160392526d21aa6685f33868c3268ac0/mL/bargeldsymposium-2018-data.pdf , S. 16-17). Allerdings überzeugt mich diese Auffassung der Bundesbank nicht. Die Banken müssten die Einlagen nur höher verzinsen als die EZB und die Kunden von der Sicherheit ihres Geschäftsmodells überzeugen. Letzteres sollte man von Banken auch erwarten dürfen.

Zu staatlichen E-Geld habe ich unter anderem einen Beitrag beim Tagesspiegel veröffentlicht: https://causa.tagesspiegel.de/wirtschaft/bitcoins-fluch-oder-segen/e-geld-fuer-alle.html .
Die Kryptotechnologie könnte dabei zum Einsatz kommen, um bis zu bestimmten Schwellenwerten analog zu Bargeld anonyme Transaktionen zu ermöglichen und somit die Privatsphäre zu schützen. Allerdings müssen Zahlungen ab einer gewissen Höhe von Geldgeschäften für eine Zentralbank oder Finanzaufsicht und Strafverfolgungsbehörden nachvollziehbar sein, da dies sonst Geldwäsche und Finanzkriminalität begünstigt.

Die Distribtued-Ledger-Technologie hat auch Innovationspotenzial außerhalb der Finanzindustrie. Dies gilt unter anderem für Steuerbehörden, um etwa Steuererklärungen zu automatisieren oder Betrugsmuster zu erkennen. Technologie allein ist selten gut oder schlecht. Es kommt darauf an, wie sie eingesetzt wird. Wir brauchen in diesem Bereich einen starken Verbraucherschutz - insbesondere bei Vertragsabschlüssen.

Zu guter Letzt: Wir haben zur Aufsicht über DLT bei Initial Coin Offerings (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Initial_Coin_Offering) eine Kleine Anfrage erarbeitet, die in einigen Wochen von der Bundesregierung beantwortet wird und sicher auch in der Presse eine Rolle spielen wird.

Für weitere Aspekte von DLT kontaktieren Sie am besten meine Kollegin und Technologiepolitikerin Frau Dr. Petra Sitte.

Falls Sie über unsere Arbeit im Bundestag auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier meinen regelmäßig erscheinenden Newsletter abonnieren: https://www.fabio-de-masi.de/de/topic/3.newsletter.html .

Ich hoffe ich konnte Ihnen weiterhelfen.

Beste Grüße

Fabio De Masi, MdB

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