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Frage von Tilo B. •

Frage an Gregor Gysi von Tilo B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Am Beispiel des Europawahlrechts kann nicht nur belegt werden, dass die Bundestagsabgeordneten das Volk um das Recht betrügen, sich um Mandate zum Europaparlament zu bewerben.
Dass die Parteien nicht etwa im Sinn haben, das Volk tatsächlich unmittelbar an der Staatsgewalt teilhaben zu lassen, das erkennt man am bereits unter dem Aspekt des Zitiergebotes vorgestellten unwirksamen Europawahlgesetz EuWG. Dort hat die gesetzgebende Gewalt das Wahlrecht so beschlossen, dass keine einzige natürliche Person berechtigt ist, sich um ein Mandat zum Europaparlament zu bewerben. In § 8 EuWG ist bestimmt:
Otto Normalverbraucher, der keiner Partei etc. angehört, kann also nie in seinem Leben Abgeordneter im Europaparlament werden. Davon betroffen sind, rund 40 Millionen wählbare deutsche Bürger. Privilegiert sind dagegen rund 2 Millionen Mitglieder von Parteien.
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage auch beantwortet - auf die ihm eigene und von den Parteien erwartete Art der "Rechtsprechung". Die Entscheidung 2 BvR 228/09 vom 17.02.2009.
Damit gilt, dass jeder Bürger, der so spät geboren ist, dass er nicht innerhalb der am 08.03.1994 begonnenen und am 08.03.195 geendeten Jahresfrist Verfassungsbeschwerde gegen das Europawahlgesetz  erheben konnte, von Geburt aus mit dem irreparablen Defekt an seinem in Artikel 3 Grundgesetz definierten Grundrecht ausgestattet ist, der lautet: "Du bist von Geburt aus nicht dazu berufen, einmal Abgeordneter im Europaparlament zu werden". (Es sei denn, man ist Mitglied einer Partei.)
Sind wir, die keiner Partei angehörende Mehrheit von rund 80 Millionen Bürger durch das Europawahlgesetz gegenüber den dadurch privilegierten nur rund 2 Millionen Mitgliedern von Parteien benachteiligt?
Ist dieser Fakt mit dem Grundgesetz zu vereinbaren, mit Artikel 3 Grundgesetz, nach dem niemand wegen seiner politischen Anschauungen bevorzugt werden darf?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr B.,

Ihre Nachricht vom 17. April hat mich erreicht. Sie werfen eine wichtige Frage auf. Natürlich können Parteien auch parteilose Bürgerinnen und Bürger aufstellen, aber dies geschieht sehr selten. Bei der Bundestagswahl kann man mit 200 Unterschriften direkt in Wahlkreisen kandidieren. Am unbefriedigendsten finde ich allerdings, dass das Bundesverfassungsgericht auch Fristenentscheidungen trifft, die dazu führen, dass Minderjährigen wenn sie erwachsen sind, nicht mehr eine entsprechende Verfassungsbeschwerde erheben können. Wenn ich eine Möglichkeit habe, werde ich dazu das Bundesverfassungsgericht befragen.

Mit freundlichen Grüßen
Gregor Gysi

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