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Gregor Gysi
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Frage von Nic H. •

Frage an Gregor Gysi von Nic H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Gysi -

an 'Deutschland spricht' nahm ich letztes Jahr aus der Überzeugung teil, dass man in diesen hysterisch aufgeladenen Zeiten keinesfalls aufhören darf, einander zuzuhören und Kontroversen respektvoll auszutragen. Dennoch beobachte ich die Normalisierung des Aussprechbaren, die Verschiebung der Grenzen des mit Anstand Sagbaren mit Stirnrunzeln.
Seit Einzug der AfD in den Bundestag befasse ich mich erneut mit dem allmählichen Aufstieg der NSDAP oder deren Propagandamethodik, was wiederum angesichts des Vergessens ringsum (Die 80er/90er Jahrgänge z.B. sind oft erschreckend uninformiert) nicht abwegig ist...
Ich habe ehrlich Angst vor dem Dornröschenschlaf unseres Demokratieverständnisses, vor Verzerrungen in der Auslegung unseres Grundgesetzes oder gar Änderungen desselben etc.
Nun wird das Amt der Vizepräsidentin im Bundestag für eine AfDlerin erwogen, ein hohes, repräsentatives Amt also für das Mitglied einer Partei, die immer wieder in den Ruch der Verfassungsfeindlichkeit, des Rassismus, der Volksverhetzung gerät und 'beobachtet wird'.
Welchen Rat hat der weise, kluge Mann aus Treptow-Köpenick: Wie gehen wir unaufgeregt mit diesem Phänomen um, wie erhalten wir unsere Demokratie offen, tolerant, liberal, lebendig - und wie gelingt es generell, mit der erstärkten Rechten einen fairen Dialog zu führen, ohne ihrem menschenfeindlichen Gedankengut in unserer Gesellschaft gleichzeitig mehr Raum zu geben?
Sascha Lobos Ansicht beispielsweise, dass man mit manchen Menschen gar nicht mehr reden dürfe (geäußert in der 5-Min-Ansprache bei 'Deutschland spricht'), teile ich nicht. Doch seinen Unmut und seine Sorge teile ich sehr wohl.
Wie beurteilen Sie die Entwicklungen in der politischen Landschaft und in der (wählenden) Bevölkerung?
(Ja, das sind dann doch VIER Fragen...) :-))
Dank im Voraus für Ihre Zeit und Ihre Gedanken dazu!

Mit herzlichem Gruß -

N. Haibach

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr H.,

Ihre Nachricht vom 4. April hat mich erreicht.

Es ist nicht so leicht, Ihre Fragen zu beantworten. Vor allem muss man sich Gedanken machen, wie das Interesse, die AfD zu wählen, abgebaut werden kann. Dazu müsste es eine Verständigung von CSU bis zu Linken geben, weil man unterschiedliche Aufgaben hat. Außerdem müssten die Wirtschaft, die Gewerkschaften, die Kirchen, die Wissenschaft, die Kultur und Kunst und die Medien einbezogen werden. Ohne Aufklärung, ohne politische Bildung, werden wir das Interesse an der AfD kaum abbauen können. In immer mehr Ländern wirkt eine solche Partei schon an der Regierung mit. Wichtige soziale Fragen, die Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche müssten endlich hergestellt werden. Das würde der AfD auch den Boden entziehen. Ich werde nicht aufhören, dafür zu streiten und wünsche Ihnen alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen

Gregor Gysi

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