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Frage von Marco H. •

Frage an Gregor Gysi von Marco H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,

ich möchte Ihnen ein Frage zum Thema Asylleistungen stellen und hoffe auf eine ehrliche Antwort.

Es gibt Personen in Deutschland, die viele Jahre gearbeitet und in unser Sozialsystem eingezahlt haben und am Ende ihrer Arbeitszeit nur eine mickrige Rente erhalten. Als Orientierung: die Durchschnittsrente im Westen unserer Republik liegt bei ca. 1380€/M. brutto.

Darüber hinaus gibt es Familien in Deutschland, in denen ein Elternteil berufstätig ist und das andere die 2 Kinder versorgt. Die berufstätige Person als Fach- und/oder Führungskraft erhält im Durchschnitt ca. 4800€/M. brutto. Die die Kinder versorgende Person geht z.B. einer geringfügigen Beschäftigung nach.

Ein hoher Politker in Deutschland, sagen wir von ihrem Rang, erwirtschaftet (nur) Diäten (und ohne Aufwandspauschalen) ca. 9780€/M.
Ich würde Sie und die anderen Personen (pauschal) zu den Leistungserbringern in diesem Land zählen.

Nun gibt es aber auch Menschen in unserem Land, die von weither zu uns gekommen sind. Z.b. aus dem Nahen und Mittleren Osten, aus Afrika und andernorts außerhalb der EU.
Unter diesen Menschen befinden sich auch Familien mit einer hohen Anzahl an Kindern. Ihnen ist sicherlich bekannt, das Familien aus den o.g. Regionen oft aus 6-10 Mitgliedern bestehen können.

Ich erhalte immer wieder Informationen, dass zugewanderte Familien z.T. Sozialleistungen beziehen, die weit über das nachvollziehbare "Normalmaß" hinausgehen.
Ein Bsp.: 1 syrische Familie, Mutter + Vater + 7 Kinder erhalten von der Stadt einen Bescheid nach dem AsylbLG in denen eine monatliche Leistung i.H.v. 3900€ zugesagt wird. Nach Recherchen sind beide Elternteile weder erwerbstätig, noch haben sie oder ihre Kinder jemals auch nur einen Euro in das Deutsche Sozialsystem eingezahlt.
Was sagen Sie z.B. einer alleinerziehenden Mama, 30 Jahre eingezahlt, erwerbsunfähig, Rente 560€, wenn diese Dame mit den o.g. Zahlen konfrontiert wird und Sie fragen würde, wie das sein kann?

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Sehr geehrter Herr H.,

Ihre Anfrage hat mich erreicht. Nach den Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes stehen der von Ihnen beschriebenen Flüchtlingsfamilie aus Syrien, die also vor Krieg und Terror geflüchtet ist, unter der Annahme, dass drei der sieben Kinder jünger als 6 Jahre sind, 3 Kinder jünger als 14 Jahre und 1 Kind jünger als 18 Jahre ist, folgende Geldleistungen zu:

1. 806 Euro, wenn die Familie in einer Aufnahmeeinrichtung wohnt,
2. 2354 Euro, wenn die Familie außerhalb einer Aufnahmeeinrichtung wohnt,
3. 2727 Euro, wenn die Familie länger als 15 Monate in Deutschland lebt und außerhalb einer Aufnahmeeinrichtung wohnt.

Insofern stimmt die von Ihnen genannte Zahl nicht. Die unter 3. genannte Summe entspricht dem, was allen Familien in vergleichbaren Konstellationen in Deutschland als Existenzminimum zusteht. In der Natur eines Existenzminimums liegt es, dass dies völlig unabhängig davon zu betrachten ist, ob man einer Arbeit nachgeht, Steuern oder Sozialbeträge gezahlt hat. Dies wurde übrigens auch vom Bundesverfassungsgericht so festgeschrieben, entspricht also unserem Grundgesetz. Dazu gehört auch, dass das Sozialamt bzw. das Jobcenter die angemessenen Wohnkosten übernimmt. Da sich die genannte Summe aus Einzelbeträgen des Existenzminimums für jedes Familienmitglied zusammensetzt, ist auch die Frage nach dem „nachvollziehbaren ‚Normalmaß‘“ beantwortet. Denn eine auf ein wie auch immer zustande kommendes „Normalmaß“ reduzierte Summe würde bedeuten, dass man einzelnen Mitgliedern der Familie das Existenzminimum kürzt. Andererseits hat die von Ihnen genannte alleinerziehende Mutter Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII, so dass in jedem Fall das Existenzminimum von 746 Euro plus Wohnkosten für sie und ihr Kind gewährleistet wird.

Völlig Recht haben Sie mit Ihrer Kritik daran, dass die Renten in Deutschland zu niedrig sind und die gesetzliche Rente durch die in den letzten Jahrzehnten vorgenommenen Rentenkürzungen und die Etablierung eines Niedriglohnsektors nicht mehr vor Armut im Alter schützt geschweige denn den erarbeiteten Lebensstandard sichert. Hier muss sich etwas ändern, zum Beispiel durch eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen, auch Politiker, Anwälte und Schritt für Schritt die Beamten. Und durch einen Mindestlohn, der 12,63 Euro betragen müsste, damit man nach 45 Jahren Vollzeitarbeit eine Rente oberhalb der Altersgrundsicherung bekommt.

Überhaupt bitte ich Sie, umgekehrt zu denken. Es hilft nicht, wenn andere weniger bekommen. Für die von Ihnen geschilderten Betroffenen muss mehr gefordert werden.

Mit freundlichen Grüßen

Gregor Gysi

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