Frage an Gregor Gysi von Tim J. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Gysi!
Unsere Tochter (9 Jahre) meinte neulich, sie fände es ungerecht, dass manche Leute so viel und manche Leute so wenig oder sogar gar kein Geld hätten. Viel besser wäre es doch, wenn man das Geld abschaffen würde, schlug sie vor. Man könne es dann ja so machen, dass jeder im Supermarkt pro Person vielleicht 15 Sachen nehmen dürfte und wenn es große Sachen wären, dann nur fünf. Außerdem (und ich vermute, dass dies ein relativ wichtiger Aspekt für sie war) könnte sie dann auch ein Pferd haben - würde ja nix kosten ;-)
Ich habe dann versucht, ihr zu erklären, dass Geld eine gute Sache ist und warum es eigentlich so ist, dass manche Leute reich und manche arm sind, aber leider kam ich sehr schnell ins Stottern und schließlich gab ich in Ermangelung guter Argumente auf.
Wären Sie vielleicht so freundlich und würden das für mich übernehmen?
Mit freundlichen Grüßen,
T. J.
Sehr geehrter Herr J.,
Ihre Nachricht vom 26. Oktober hat mich erreicht. Das Problem ist, dass bestimmte Dienstleistungen und Sachen von Menschen erbracht werden müssen. Sie wollen dafür ja etwas haben. Und zwar nicht das, was die herstellen, sondern etwas anderes. Der eine, der einen Tisch herstellt, braucht aber gerade eine Gardine, die er nicht herstellt. Wenn sich sowieso jeder in allen Geschäften alles nehmen kann, würde die Lust von Menschen, etwas herzustellen, wegfallen. Sie wollen ja etwas dafür bekommen. Natürlich könnte man Gardine gegen Tisch tauschen. Dann brauchte man kein Geld. Aber dann müsste Ihre Tochter wiederrum etwas anderes hergeben, um das Pferd zu bekommen. Außerdem gibt es noch eine Schwierigkeit. Wenn jede und jeder sich ein Pferd nehmen dürfte, die oder der es will, woher sollen wir die vielen Pferde nehmen?
Bitte richten Sie Ihrer Tochter auch Folgendes aus: Es gab einen berühmten Mann, der hieß Karl Marx. Karl Marx schrieb, dass es irgendwann kein Geld mehr geben wird und er kennt schon einen Mann, der jetzt kein Geld mehr hat. Damit meinte er sich selbst.
Mit freundlichen Grüßen
Gregor Gysi