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Frage von Robin W. •

Frage an Gregor Gysi von Robin W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Lieber Herr Dr. Gysi,

zunächst muss ich sagen, dass ich Sie als Politiker sehr schätze - auch wenn ich es gern sähe, Sie würden sich den Grünen anschließen, dann hätten Sie meine volle Zustimmung.

Meine Frage betrifft Ihre Haltung zu Russland. Und zwar antworteten Sie auf eine Frage im August: "Ich kämpfe gegen die Russlandfeindseligkeit, aber es ist sehr schwer. Die Medien stehen ziemlich einheitlich gegen Russland."

Das nehme ich ehrlich gesagt nicht so wahr. Ich sehe keine mediale Front gegen Russland und glaube auch nicht, dass "die Medien" irgendeine einheiltiche Meinung haben. Im Gegenteil, ich empfinde es so, dass seit der Wahl Trumps z.B. über die USA und Russland als Großmächte beiderseits kritisch berichtet wird. Sie haben vollkommen Recht, wenn Sie sagen, es urteilen Menschenrechtsverletzer über andere Menschenrechtsverletzer, wenn Russland von "westlichen" Staaten kritisiert wird. Aber das darf, wie ich finde, nicht von den Vergehen Russlands ablenken. Die Behandlung von Homsexuellen, der Umgang mit politischen Gegnern Putins, die vermutliche Liquidierung von Ex-Agenten, die Annexion der Krim - das sind alles Punkte, die man durchaus kritisch anbringen muss.

Ich habe auch Ihren Aufruf vor der WM gesehen, man solle sich nicht von den Politikern verrückt machen lassen - ich sehe das anders. Die Dopingvorwürfe, der vermutliche Stimmenkauf, der Umgang mit Menschenrechten, die Selbstinszenierung Putins lassen mich nicht mehr auf den Fußball selbst schauen. Der Fußball hat mittlerweile eine politische Dimension, auch wenn es die FIFA nicht wahrhaben will.

Meine Frage ist also, im Großen und ganzen, wie Sie die Antwort auf die Frage von Herrny Dyrda genau meinen bzw. was generell Ihre Haltung zu Russland ist. Auch würde ich gerne wissen, wo Sie die Grenze ziehen zwischen kritischer Berichterstattung und "Russlandfeindseligkeit". Denn gegen Feindseligkeit, wem gegenüber auch immer, sollte man selbstverständlich vorgehen.

Ich freue mich auf eine Antwort :)

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Lieber Herr W.,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 25. September 2018. Selbstverständlich kann man die Umstände, die Sie benennen, deutlich kritisieren. An dem Mord an einem ausgetauschten Ex-Agenten glaube ich allerdings nicht, weil dann niemand mehr mit Russland einen Austausch machte, was es wiederrum sehr erschwerte, überhaupt Spione für das Land gewinnen zu können.

Jetzt zum Beispiel gab es die Zuspitzung an der Krim. Alle berichteten, dass Russland völlig einseitig Schiffe der Ukraine aufgehalten und Matrosen eingesperrt hat. Niemand berichtete, dass die Ukraine heimlich Geheimagenten mit diesen Schiffen zum Zwecke der Beobachtung und der Feststellung der Strukturen Russlands geschickt hatte. Deshalb griff Russland ein. Warum lassen das fast alle Medien aus?

Ich nenne Ihnen noch ein weiteres Beispiel. Eine russische Maschine stürzte über dem Bodensee ab. Am Abend lief im ZDF eine Dokumentation, aus der sich ergab, dass die Maschinen im schlechtesten Zustand sind, dass die Piloten sehr schlecht Englisch sprechen, dass sie in der Regel noch betrunken sind. Später stellte sich heraus, dass ein Lotse aus der Schweiz falsche Weisungen gegeben hatte. Die Maschine war technisch in Ordnung, der Pilot sprach sehr gut Englisch und er hatte keinen Tropfen Alkohol getrunken. Aber die Meinung stand schon fest, bevor es irgendwelche sachlichen Informationen gab. Über die USA wird eigentlich und gern positiv berichtet, aber Trump macht das zunichte.

Natürlich macht Putin eine imperiale Politik, genau wie andere auch. Aber früher hat er Angebote gemacht an den Westen für gemeinsame Sicherheit, für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Ich war bei seiner Rede im Bundestag dabei. Der Westen hat arrogant nicht darauf reagiert, bis er in Bezug auf die Ukraine und die Verhandlungen und er EU und der Ukraine geändert hat.

Also, in der Kritik sind wir uns einig, aber ich merke eine andere Grundhaltung in vielen Medien.

Natürlich haben Sie Recht, dass die Medien unterschiedlich sind, aber es gibt immer weniger Recherchen, deshalb übernehmen alle nur noch die Agenturmeldungen. Dadurch vereinheitlicht sich das Medienbild, was für die Pressefreiheit nicht gut ist.

Mit freundlichen Grüßen

Gregor Gysi

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